: Den eigenen Erfolg infrage stellen
Kommentar
von Bert Schulz
Untersuchungs-ausschuss zum Breitscheidplatz
Bislang hat Andreas Geisel alles richtig gemacht in Sachen Breitscheidplatz, obwohl der SPD-Innensenator am Tag des Anschlags erst eineinhalb Wochen im Amt war. Er zeigte Engagement und Anteilnahme, ging forsch in die Debatte um innere Sicherheit und informierte die Parlamentarier umfassend. Und er setzte sich dafür ein, dass ein Sonderermittler des Senats Fehler vor und nach dem Attentat mit zwölf Toten ermitteln soll und nicht ein Untersuchungsausschuss des Parlaments.
Auch Sonderermittler Bruno Jost hat offenbar ein gutes Händchen für seinen heiklen Job: Schon nach wenigen Wochen entdeckt er Ungereimtheiten bei der Bearbeitung des Falls Anis Amri, die sogar den Stuhl des Polizeipräsidenten wackeln lassen. Dass sich Rot-Rot-Grün als Konsequenz daraus nun doch entschließt, einen Untersuchungsausschuss einzurichten, mutet seltsam an.
Denn bisher hatten die Abgeordneten der Regierungsfraktionen und sogar der CDU im Innenausschuss stets argumentiert, ein Sonderermittler könne effektiver arbeiten als ein solcher Ausschuss. Genau das scheint sich ja zu bestätigen. Warum konterkariert man nun den Erfolg der eigenen Taktik?
Dahinter steckt politisches Kalkül – angesichts des Themas bedauerlich. Denn der Ausschuss kommt nur deshalb erst jetzt, weil eigentlich der AfD-Fraktion der Vorsitz zugestanden hätte. Doch im April hat das Parlament einen zusätzlichen regulären Ausschuss eingesetzt, den die Rechten leiten dürfen. Zudem könnte der Fall Amri angesichts der jüngsten Enthüllungen zu einem Fall Henkel werden: Der frühere Innensenator war für die misslungene Überwachung des späteren Attentäters politisch verantwortlich. Die CDU auf ihrem Kerngebiet Innere Sicherheit vorzuführen, ist doch zu verlockend für Rot-Rot-Grün.
Die neue Doppelstrategie birgt indes die Gefahr, dass sich die Aufklärer im Parlament und der Sonderermittler in die Quere kommen. Leiden würde darunter das Ansehen von Senator Geisel, der bislang eine so gute Figur gemacht hat.
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