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Erst fallen die Bomben, dann wütet die Cholera

JemenIn dem Bürgerkriegsland sind Tausende an der Seuche erkrankt und Hundertegestorben. Das Gesundheitsministerium in der Hauptstadt bittet um Hilfe – aber es gehört zu den Huthi-Rebellen, die von der saudisch geführten Kriegsallianz bekämpft werden

von Jannis Hagmann

BERLIN taz | Es mangelt an Trinkwasser, Medikamente sind knapp, und Hunderte Krankenhäuser liegen in Trümmern. Dabei hätten Mediziner im Jemen alle Hände voll zu tun. Die Infektionskrankheit Cholera breitet sich in dem Bürgerkriegsland bedrohlich aus. Sie seien „nicht in der Lage, die Katastrophe in den Griff zu bekommen“, warnten jemenitische Behörden in der Nacht zum Montag. Das von den Huthi-Rebellen kontrollierte Gesundheitsministerium in der Hauptstadt Sanaa rief den Notstand aus und bat um internationale Hilfe.

In zwei Wochen seien 115 Menschen an der Krankheit gestorben, teilte das Internationale Rote Kreuz mit. Die Zahl der Verdachtsfälle habe sich im Mai innerhalb einer Woche verdreifacht. Die Organisation sprach von fast 8.600 Verdachtsfällen. Das Rote Kreuz berief sich auf dass jemenitische Gesundheitsministeriums. Angaben anderer Hilfsorganisationen bestätigten die Zunahme von Cholera-Fällen. Die Organisation Ärzte ohne Grenzen teilte mit, sie habe seit Ende März fast 800 Betroffene behandelt.

Wegen des Bürgerkriegs sei es „sehr schwierig, die tatsächliche Anzahl von Cholera-infizierten Menschen zu ermitteln“, sagte Marten Mylius von der Hilfsorganisation Care International gegenüber der taz. Viele Fälle würden zu Hause behandelt und den Gesundheitszentren gar nicht erst gemeldet. Zudem finde der Ausbruch der Cholera in einer komplizierten politischen Situation statt. In dem Konflikt werde die „Fähigkeit der Institutionen, Dienstleistungen zu erbringen, politisiert“. Im Jemen kämpfen die schiitischen Huthi-Rebellen gegen die Truppen von Präsident Abd Rabbo Mansur Hadi. Anfang 2015 gelang es den Huthis, die Hauptstadt Sanaa vollständig unter ihre Kontrolle zu bringen. Seit März 2015 fliegt eine von Saudi-Arabien angeführte Militärallianz Luftangriffe gegen die Huthis.

Erst im Oktober vergangenen Jahres war im Jemen Cholera ausgebrochen. Bis Mitte März waren in dem Land WHO-Angaben zufolge 108 Menschen an den Folgen der Krankheit gestorben. Vor dem erneuten Ausbruch im April und Mai waren die gemeldeten Cholera-Fälle aber wieder stark zurückgegangen.

Gut behandelbar

Cholera ist eine bakterielle Infektionskrankheit. Gelangt das Bakterium Vibrio choleraeüber Schmierinfektion oder verunreinigtes Essen und Wasser in den Darm, kann ein wässriger Durchfall folgen. Erkrankte verlieren literweise Flüssigkeit und können innerhalb weniger Stunden sterben. Cholera überträgt sich besonders in Gegenden mit schlechten hygienischen Zuständen und Wasserknappheit. Im Jemen haben zwei Drittel der Bevölkerung keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser.

Vor allem im 19. Jahrhundert forderte Cholera viele Menschenleben. Schätzungen zufolge sterben weltweit aber noch immer mehrere Zehntausend Menschen jährlich. Eine Cholera-Epidemie wütet derzeit auch in Jemens südlichem Nachbarland Somalia.

„An den Straßen­rändern häufen sich Abfälle“

Marten Mylius, Care International

Eigentlich ist Cholera leicht und kostengünstig behandelbar. Der extreme Wasser- und Mineralstoffverlust muss ausgeglichen werden, indem den Erkrankten eine wässrige Lösung von Traubenzucker und Kochsalz zu trinken gegeben wird. Unterstützend können Antibiotika eingesetzt werden.

Doch „der aktuelle Cholera-Ausbruch im Jemen findet zu einer Zeit statt, in der die Gesundheits-, Wasser- und Hygieneversorgung am Rande des Zusammenbruchs steht“, sagt Mylius von Care International. Weniger als die Hälfte aller Gesundheitseinrichtungen des Landes würden noch funktionieren.

Zudem habe eine Müllkrise in Sanaa zu der Ausbreitung von Cholera beigetragen, sagt Mylius. Die Müllentsorger in der jemenitischen Hauptstadt waren in den Streik getreten, weil sie nicht bezahlt worden waren. „An den Straßenrändern häufen sich Abfälle, die eine Ausbreitung von Infektionen begünstigen.“

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