ortstermin von HarfF-Peter Schönherr: Auftakt im Gegenwind
Als es losgeht, ist der Platz menschenleer. 30, vielleicht 40 Anhänger der AfD verlieren sich vor einem schmächtigen Lautsprecherwagen. Drumherum, an allen Zugängen, Gegendemonstranten, mehr als 2.000, wie massive Mauern. Dazwischen, manchmal ein bisschen ratlos, Polizei in voller Kampfmontur.
Anderthalb Stunden gellen Trillerpfeifen und Signalhörner, donnern Trommeln, werden Fahnen geschwenkt, Plakate hochgereckt, wehen Banner. Buh-Chöre, Protestgesänge. Dann ist alles vorbei. Wer von der AfD nicht schon vorher das Weite gesucht hat, schleicht wie geprügelt vom Platz. Was gar nicht so einfach ist, denn die menschlichen Mauern weichen nicht. Gerangel, Wortgefechte. Ein grobschlächtiger Typ mit Führerfrisur reckt Mal um Mal den Arm zum Hitlergruß – folgenlos. Dann zeigt er seinen bleichen Arsch.
Beatrix von Storch ist angekommen –zum Auftakt für den Bundestagswahlkampf der AfD in Osnabrück. Und das hiesige „Bündnis gegen Rassismus/NoPegida“ formiert um das Rathaus eine Blockademauer. Mindestens für die Demonstranten ist dieses Zusammentreffen perfekt gelaufen. „Mit so vielen hatten wir gar nicht gerechnet“, sagt der Sprecher des Bündnisses.
Ein anderes Bündnis ging noch einen Schritt weiter und wollte gar verhindern, dass von Storch an diesem Abend überhaupt vor dem Rathaus spricht. Doch ganz gelang das nicht. Als 30 Aktivisten am Rißmüllerplatz auf die Straße stürmen, kommt es zu körperlichen Auseinandersetzungen, wie die Polizei später sagt.
Ein paar Schritte weiter hat Lorenzo Granis Trattoria am Markt einen Sonnenschirm aufgespannt – direkt vor den Tischen stehen die Sperrgitter. Hier werden Liedtexte verteilt, Luftballons aufgepustet, Spruchbänder entrollt. Grani empfindet den Besuch als „unheimlich bedrohlich“. Sein Vater Sergio Grani singt derweil das Partisanenlied „Bella, ciao!“.
Annika Hesselmann vom Flüchtlingszentrum „Exil“ steht mit einer Gruppe Aktivisten direkt vor der AfD-Bühne. Sie hat Beatrix von Storch trotzdem nichts zu sagen. „Sie ist so weit weg vom humanistischen Gedanken“, sagt sie. „Da gibt es nicht den kleinsten gemeinsamen Nenner.“ Kerstin Runde, Aktivistin von „Lesbisches Osnabrück“, sieht das ähnlich, aber auch sie will ihren Protest sichtbar machen.
Dann betritt Beatrix von Storch die Bühne und spricht von „einer schwierigen Situation“, in der man sich befinde. Es folgen Allgemeinplätze und ein paar Versprecher.
Warum die AfD ausgerechnet in einer Stadt ihren Wahlkampf startet, in der sie es noch nicht mal geschafft hat, zur Kommunalwahl 2016 anzutreten, bleibt unklar. Immerhin ist Osnabrück ja auch eine Stadt, in der sich die AfD gerade selbst zerfleischt.
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