RAF-Attentat auf Siegfried Buback: Spuren verwischt, Akten vernichtet
Seit zehn Jahren versucht Michael Buback, den Mord an seinem Vater Siegfried aufzuklären. Er hat einen unbequemen Verdacht.
Die tödlichen Schüsse auf den Generalbundesanwalt und seine Begleiter markieren den Beginn eines Terrorjahrs, wie es die Bundesrepublik Deutschland bis dahin nicht erlebt hat. Mit der „Offensive 77“ soll die Gründergeneration der RAF um Andreas Baader und Gudrun Ensslin aus der Sonderhaftanstalt in Stuttgart-Stammheim freigepresst werden.
Dem Mord an Buback (RAF-intern mit dem Codewort „Margarine“ belegt) folgt ein misslungener Entführungsversuch im Juli: Dabei erschießen die Militanten den Dresdner-Bank-Chef Jürgen Ponto, der sich gegen seine Verschleppung zu Wehr setzt.
Anfang September schließlich entführen RAF-Mitglieder den Arbeitgeberpräsident Hanns Martin Schleyer. 44 Tage dauert die Geiselnahme. In dieser Zeit kapert ein Kommando militanter Palästinenser zur Unterstützung der RAF-Forderungen den Lufthansa-Ferienflieger „Landshut“ und bringt ihn nach Mogadischu. Der Jet wird am 18. Oktober von der Polizeispezialeinheit GSG 9 erfolgreich gestürmt und die Passagiere befreit. Wenig später werden die Häftlinge Baader, Ensslin und Jan-Carl Raspe in ihren Zellen tot aufgefunden. Sie sollen sich selbst getötet haben.
Schlampereien der Behörden
Am 19. Oktober geht um 16 Uhr 21 im Stuttgarter Büro der Deutschen Presse-Agentur der Anruf ein: „Hier RAF … Wir haben nach 43 Tagen Hanns Martin Schleyers klägliche und korrupte Existenz beendet.“
Bis heute sind die Täter des Buback-Mords nicht zur Rechenschaft gezogen worden, ist Sohn Michael Buback überzeugt. Seit zehn Jahren sucht der Chemieprofessor aus Göttingen nach den wahren Tätern.
Michael Buback recherchiert seither die unglaubliche Liste der Schlampereien, Unstimmigkeiten und Ungenauigkeiten bei den Ermittlungen von Justiz und zuständigen Behörden. Er hat zwei Bücher über den Tod des Vaters geschrieben, ein neues Gerichtsverfahren erzwungen, das erfolglos blieb. Er ist zuletzt als unbequemer Mahner in diesem Jahr in zwei Fernsehdokumentationen aufgetreten.
Buback ist überzeugt: Der Staat hat seine Hand schützend über eine der beteiligten Terroristinnen gelegt – gemeint ist Verena Becker, die sich mit 19 Jahren erst der „Bewegung 2. Juni“ und danach der RAF anschloss. Sie sei die Schützin gewesen. Zwanzig Zeugen, darunter vier Tatortzeugen, hätten eine zierliche weibliche Person auf dem Tatfahrzeug, eine Suzuki, in Karlsruhe gesehen. Doch deren Aussagen seien nie berücksichtigt worden – auch nicht im Nachfolgeprozess von Stuttgart im Jahr 2012.
Aktenfund bei Mielke
Bestätigt ist, dass Verena Becker ab 1981 nach einem Haftkoller mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz für eine begrenzte Zeit kooperiert. Das wiederum gesteht sie 1983 ihren inhaftierten GenossInnen, wird dafür aus den Reihen der RAF-Gefangenen ausgeschlossen und in den „Normalvollzug“ verbannt. Becker wird (verurteilt, unter anderem wegen versuchtem Polizistenmord zu zweimal „lebenslänglich“ und 13 Jahren) nach neun Jahren und 53 Tagen Haft begnadigt. Sie kommt am 30. November 1989 frei. Am selben Tag, an dem der Chef der Deutschen Bank, Alfred Herrhausen, von der RAF ermordet wird.
Eines der Indizien, die Michael Buback für seine Behauptung heranzieht: Im September 1990, wenige Tage vor der Deutschen Einheit, beschlagnahmte der Generalstaatsanwalt der DDR in Erich Mielkes Privatwohnung 17 Aktenbände. Unter Position 141 befand sich die Akte Verena Becker. Dort heißt es, dass „die B. (Becker, d. Red) seit 1972 von westdeutschen Abwehrorganen wegen der Zugehörigkeit zu terroristischen Gruppierungen bearbeitet bzw. unter Kontrolle gehalten wird“.
1986 erfuhr die Stasi, dass Becker beim Verfassungsschutz geredet hatte. Für Sohn Michael Buback ein weiterer Beleg, dass Verena Becker staatlichen Schutz erfahren habe, möglicherweise schon vor dem Attentat von 1977. Systematisch seien Belege verheimlicht oder verwischt worden. Tatsache ist: 1994 wurden alle BKA-Spurenakten zum Karlsruher Mord auf Weisung des Generalbundesanwalts vernichtet – wegen „Platzmangel“.
Seit zehn Jahren gehen Michael Buback und seine Frau Elisabeth der Frage nach, wer den Vater ermordet hat. Der 71-jährige Sohn sagt, das sei er seinem Vater Siegfried schuldig. Denn Mord verjähre nicht.
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