Grüne setzen auf Einwanderung

Konzept Göring-Eckardt präsentiert grünen Entwurf für ein Einwanderungsgesetz. Clou ist eine Talentkarte, mit der sich Ausländer ein Jahr lang auf Jobsuche begeben können

Voll fortschrittlich – die Grünen haben ihr Einwanderungsgesetz vorgelegt Foto: Maurizio Gambarini/dpa

Aus Berlin Pascal Beucker

Auf ihrer Suche nach dem „heißen Scheiß“, hofft Katrin Göring-Eckardt endlich fündig geworden zu sein. Am Dienstag präsentierte die grüne Spitzenkandidatin für die Bundestagswahl in Berlin den Vorschlag der Grünen für ein Einwanderungsgesetz. Mit ihrem Entwurf wolle ihre Partei die Einwanderung nach Deutschland „entbürokratisieren, liberalisieren und vereinfachen“, sagte Göring-Eckardt. „Das ist an der Zeit.“

Von einem „Paradigmenwechsel“ sprach der grüne Bundestagsabgeordnete Volker Beck. Migration sei „kein Problem, vor dem man sich schützen muss“. Es gehe darum zu zeigen, „dass wir ein weltoffenes Land sind“. Wenn auch nicht für jeden und jede: Adressaten grüner Willkommenskultur sind jene Menschen, die von der deutschen Wirtschaft gebraucht werden. Erklärtes Ziel der Grünen ist es, den Bedarf an qualifizierten Fachkräften zu decken. Wie bei dem Gesetzentwurf, den die SPD 2016 vorgelegt hat, steht daher auch bei ihnen ein Punktesystem à la Kanada im Zentrum.

Wie hoch der Fachkräftebedarf ist, welche und vor ­allem wie viele Ausländer ­dem­entsprechend pro Jahr kommen dürfen, soll nach Vorstellungen der Grünen eine unabhängige Einwanderungskommission ermitteln. Zu den besonders zu berücksichtigen Kriterien zählen unter anderem ein Hochschulabschluss, der Abschluss einer qualifizierten Berufsausbildung, Berufserfahrung und Kenntnisse der deutschen Sprache. Im Falle unvorhergesehener Entwicklungen soll die Bundesregierung die Anzahl der aufzunehmenden Ausländer im Laufe eine Jahres herauf- oder herabsetzen können.

Der besondere Clou des grünen Konzepts ist die „Talentkarte“. Sie soll ausländischen Fachkräften ermöglichen, mit ihren Familien auch ohne konkretes Arbeitsplatzangebot für ein Jahr zur Jobsuche einzureisen. „Angebotsorientierte Einwanderung“ nennen die Grünen das. Finden die Karteninhaber in diesen zwölf Monaten – in der sie keinerlei Anspruch auf Sozialleistungen haben – eine unbefristete Anstellung oder haben sich erfolgreich selbstständig gemacht, bekommen sie einen Daueraufenthalt.

Ergattern die „Talente“ nur prekäre Jobs, wird der Aufenthalt vielleicht trotzdem verlängert. Gelingt es ihnen jedoch gar nicht, ihren Lebensunterhalt selbst zu verdienen, müssen sie wieder raus. Notfalls müsse „die Ausreisepflicht durch Abschiebung vollzogen werden“, erläuterte der Grünen-Berater und Professor für öffentliches Recht, Thomas Groß.

Zu den besonders zu berücksichtigenden Kriterien zählt ein Hochschulabschluss

Wegfallen soll nach Vorstellung der Grünen die Vorrangprüfung, nach der erst nachgewiesen werden muss, dass kein Deutscher oder EU-Bürger für einen Arbeitsplatz bereitsteht, bevor dieser mit einem nichteuropäischen Arbeitnehmer besetzt werden kann. Außerdem soll es ausländischen Studierenden gestattet werden, nach Abschluss ihrer Ausbildung eine Arbeit in der Bundesrepublik aufzunehmen. Auch Asylbewerber sollen in den Status eines Arbeitsplatz suchenden Einwanderers wechseln können – allerdings nur bei gefragter Qualifikation.

Eine deutliche Liberalisierung streben die Grünen bei der Staatsbürgerschaft an. So sollen Doppelstaatsbürgerschaften auch für Nicht-EU-Bürger grundsätzlich möglich sein. Vor allem jedoch sollen in Deutschland geborene Kinder von Ausländern künftig nicht erst dann die deutsche Staatsangehörigkeit erwerben können, wenn ein Elternteil seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat und ein unbefristetes Aufenthaltsrecht besitzt. Künftig soll es ausreichen, wenn ein Elternteil legal in der Bundesrepublik lebt. Für hier geborene Flüchtlingskinder soll gelten, dass sie Deutsche werden, sobald der Asylantrag eines Elternteils positiv entschieden ist.

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