G-20-Finanzminister in Baden-Baden: Ironischer Protest vor dem Casino

Vorträge und kritische Performance: Der Auftakt der Anti-G20-Proteste ist zivil. Am Samstag ist eine größere Demonstration geplant.

Menschen mit Protestzubehör in den Händen

„Steuerauktion“ in Baden-Baden Foto: dpa

BADEN-BADEN taz | Apple, Starbucks, VW, Ikea und Co. dürfte das Szenario sicher gefallen. Vor dem Konzerthaus in Baden-Baden stehen Steuern zur Auktion. „Wer bietet weniger?“, fragt der Auktionator mit seinem Riesenhammer. „Weniger!“, Viel weniger!“ – gerade kämpfen Griechenland und die Schweiz um den Zuschlag im Steuerwettlauf nach unten. „Wie wollt ihr das bezahlen?“ „Löhne runter“, „Schulen kaputt sparen“, „Mieten rauf“, so die Vorschläge, die auf kleinen Tafeln präsentiert werden. Schlussendlich fällt der Hammer zugunsten des Alpenstaats. „Keine Steuern“ ist das entscheidende Gebot.

Mit der spöttischen Aktion eröffnete das globalisierungskritische Netzwerk Attac am Freitagvormittag seinen Protest gegen das G20-Finanzministertreffen, das zur gleichen Zeit wenige hundert Meter weiter im Kurhaus startet. Etwa ein Dutzend Aktivisten sind zusammen gekommen und inszenieren ihre Kritik für die Presse. Resonanz aus der Bevölkerung bleibt in der idyllischen Kurstadt, die dieser Tage fest in Polizeihand ist, aus. Ohne aufzuschauen, bahnt sich eine ältere Dame mit auffällig vollen Lippen ihren Gang durch die Kritiker der Steuer- und Finanzpolitik.

Unmittelbar zuvor hatte das europäische Netzwerk auf einer Pressekonferenz seine Problemanalyse präzisiert. Eine Billion Euro betrage die Summe der hinterzogenen und vermiedenen Steuern allein in der Europäischen Union pro Jahr, so Dominique Plihon, Sprecher von Attac Frankreich. Profitieren würden Reiche und Konzerne; die Folgen: Haushaltsdefizite und soziale Ungleichheit. Sein Fazit: „Steuerflucht ist eine Bedrohung für unsere Demokratie.“

Der Grünen-Europaabgeordnete und Attac-Mitbegründer Sven Giegold warnte: „Die Finanzkrise ist nicht vorbei.“ Die Finanzmarktreformen, die auch von den G20 in den vergangenen Jahren angestoßen worden seien, hätten nur an der Oberfläche für Ruhe gesorgt. Besonders scharf kritisierte Giegold den deutschen Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU). Dieser verhindere etwa ein öffentliches Register, aus dem hervorgehe, in welchen Ländern Unternehmen wie viel Steuern zahlen. Neben dieser Forderung sprachen sich die Attac-Vertreter für eine wirksame Bekämpfung von Steueroasen und einen besseren Schutz für Whistleblower aus.

Whistleblower zu Gast

Als „ironisch“ bezeichnete Giegold, den Tagungsort des Gipfels, in dessen Seitenflügel auch das berühmte Casino seinen Sitz hat. Wenigstens für dieses Wochenende geht der erste Teil der alten Attac-Forderung „Das Casino schließen. Finanzmärkte regulieren“ aber tatsächlich in Erfüllung. Aus Sicherheitsgründen.

Außerhalb der Sicherheitszone werden die Proteste weitergehen. Noch am Freitag will sich die christliche Initiative erlassjahr.de für einen Schuldenschnitt für Entwicklungsländer stark machen. Am Abend wird Antoine Deltour, der als Whistleblower den Lux-Leaks-Skandal ans Tageslicht brachte, auf einer Podiumsdiskussion erwartet. Erst am Mittwoch war der ehemalige Mitarbeiter der Beratungsgesellschaft Pricewaterhouse-Coopers von einem Berufungsgericht zu sechs Monaten Haft auf Bewährung verurteilt worden.

Am Samstag folgt eine Demonstration, zu der laut Christian Blank vom Anti-G20-Bündnis Baden-Baden etwa 1.000 Teilnehmer erwartet werden. Aufgerufen haben neben Attac, auch Lokalgruppen von Linkspartei, Gewerkschaften und der Interventionistischen Linken. Die Aktionen in Baden-Baden seien der „Auftakt für die Proteste gegen den G20-Gipfel in Hamburg im Juli“, so Blank.

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