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Dieselskandal erreicht Daimler

Dicke Luft Staatsanwaltschaft Stuttgart ermittelt gegen die Nobelmarke wegen Betrugs und falscher Werbung. Wie bei VW geht es um Schummelsoftware bei Abgasmessung

Von Ingo Arzt

BERLIN taz | In Wolfsburg können sie aufatmen – VW steht nicht mehr als einziger deutscher Autokonzern wegen des Dieselskandals am Pranger. In Stuttgart hat die dortige Staatsanwaltschaft am Dienstag Ermittlungen gegen Daimler aufgenommen. Es gehe „um Betrug und strafbare Werbung“, Grund sei eine „mögliche Manipulation der Abgasnachbehandlung bei Diesel-Pkw der Firma“, sagte ein Sprecher. Genaueres wollte die Staatsanwaltschaft wegen laufender Ermittlungen nicht sagen. Unklar ist, gegen wie viele Personen sich die Ermittlungen richten und ob auch Vorstände darunter sind.

Wahrscheinlich ist, dass es auch bei Daimler um illegale Abschalteinrichtungen geht, die auch VW verwendet hat. Dabei erkennt die Software der Motorsteuerung, ob gerade einer der genau normierten Abgastests läuft, mit denen das Kraftfahrtbundesamt prüft, ob die Motoren die gesetzlichen Abgasgrenzwerte einhalten.

„Alle Autohersteller haben die gleichen Probleme, weil sie im Grundsatz sehr ähnliche Software benutzen“, sagt Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, der taz. Die hatte den Skandal um VW mit ihren Messungen angestoßen. Er kritisiert, dass die Stuttgarter Staatsanwaltschaft elf Monate gebraucht habe, um ein Ermittlungsverfahren einzuleiten – trotz klarer Hinweise.

Denn tatsächlich stehen die Vorwürfe schon länger im Raum. Die Unternehmensberatung Deloitte Touche hatte bereits im April 2016 Büroräume in der Motorenentwicklung und in der Daimler-Konzernzentrale durchsucht – und zwar im Auftrag des US-Justizministeriums. Deutsche Behörden haben sich damals nicht bemüßigt gefühlt, ebenfalls zu ermitteln. Ebenfalls im April 2016 hatte das Bundesverkehrsministerium einen Bericht veröffentlicht, nach dem gerade die neuen Mercedes wie der C 220 Bluetec oder der S 350 Bluetec, beide mit Euro 6 Norm, die Stickoxid-Emissionen im echten Fahrtbetrieb massiv überschreiten – teilweise steigen die Werte von erlaubten 80 auf fast 500 Milligramm pro Kilometer. Strafrechtliche Ermittlungen nahm deshalb deutsche Behörden nicht auf.

„Alle Autohersteller haben die gleichen Probleme“

Jürgen Resch, Deutsche Umwelthilfe

Für den Grünen-Bundestagsabgeordneten Oliver Krischer hat das in Deutschland System: „Weder Merkel noch Dobrindt zeigen irgendein Interesse, das Betrugs- und Täuschungssystem offenzulegen und in Zukunft zu verändern“, kritisiert Krischer, der auch im VW-Untersuchungsausschuss des Bundestages sitzt.

Daimler selbst zeigte sich überrascht von den Vorwürfen. „Das Kraftfahrtbundesamt wie auch das Bundesverkehrsministerium haben im Rahmen ihrer Messungen bei unseren Fahrzeugen keinen Verstoß gegen geltende Rechtsvorschriften festgestellt und dies auch schriftlich mitgeteilt“, schrieb der Konzern auf Anfrage – und schweigt sonst. Vor allem in den USA könnte es unangenehm für Daimler werden. Dort klagen Aktionäre auch gegen Vorstandchef Dieter Zetsche persönlich.

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