Transnationaler Reproduktionstourismus: Für die Eizellspende ins Ausland
Hierzulande ist sie verboten. Um mittels einer Eizellspende einen Kinderwunsch erfüllen zu können, müssen Betroffene ins Ausland fahren.
Die europäischen Königshäuser der Vergangenheit erwiesen rücksichtlosen Einfallsreichtum, wenn es darum ging, ihre Dynastie zu erhalten. Heinrich VIII. etwa ließ zwei seiner sechs Frauen köpfen, um an einen Sohn zu kommen, und mancher Thronfolger – und wohl auch mancher Hoferbe – dürfte nicht unbedingt die Gene seines offiziellen Vaters getragen haben. Die Herstellung „passender“ Familienverhältnisse war also auch schon vor der Erfindung der Reproduktionsmedizin an der Tagesordnung, weshalb der Gegensatz angeblich natürlicher und gemachter familialer Beziehungen, so die Bremer Ethnologin Michi Knecht am Mittwoch beim Forum Bioethik, das der Deutsche Ethikrat dem Thema Eizellspende widmete, als Einwand gegen die technisch unterstützte Erfüllung des Kinderwunsches obsolet sei.
Neu an den modernen Familienverhältnissen allerdings ist, dass Kinder, die mittels Eizellspende oder Leihmutterschaft auf die Welt kommen, sich zweier Mütter erfreuen und dass die Generationenfolge unter Umständen tüchtig durcheinandergewirbelt wird.
2010 wurden in 22 europäischen Ländern 25.187 Eizellspenden durchgeführt, zwei Jahre später waren es in 25 Ländern bereits 33.605, wobei nicht alle Länder und Zentren überhaupt Angaben darüber machen. Schätzungen zufolge wurden alleine in Spanien, das den Spitzenplatz hält, 16.000 Behandlungen mit gespendeten Eizellen durchgeführt, gefolgt von Tschechien, der Ukraine und Russland. Doch auch in Polen lässt sich eine signifikante Zunahme feststellen.
Wie viele deutsche Frauen oder Paare jährlich ins Ausland fahren, um sich zu kaufen, was hierzulande verboten ist, ist nicht bekannt, es sind vermutlich Tausende. Die umstrittene Kinderwunschmesse im Februar in Berlin, auf der ausländische Reproduktionskliniken ihre Dienstleistungen offerieren durften, fand jedenfalls viel Resonanz bei Paaren, die ihren unerfüllten Kinderwunsch realisieren wollen.
Viele begrüßten, dass sie dort endlich die Informationen erhielten, die ihnen offiziell vorenthalten werden. Denn Fachkräfte, die in Deutschland entsprechend beraten, so Petra Thorn, Therapeutin aus Mörfelden und Mitglied im Ethikrat, machten sich strafbar. Thorn arbeitet derzeit in einer wissenschaftlichen Arbeitsgruppe an den Eckpunkten für ein Fortpflanzungsmedizingesetz.
Odyssee durch heimische Kliniken
Wenn sich Paare auf die zeitintensive, kostenaufwendige und risikoreiche Kinderwunschreise ins Ausland aufmachen, haben sie in der Regel schon eine lange Odyssee in heimischen Kliniken, gescheiterte Eingriffe und traumatische Erlebnisse hinter sich. Unfruchtbarkeit aufgrund von Krankheiten oder des fortgeschrittenen Alters sind die häufigsten Gründe, eine Eizellspende in Anspruch zu nehmen.
Die Betroffenen halten die Art, wie sie an ihr Kind kommen wollen oder gekommen sind, oftmals geheim, weil sie Angst vor der Reaktion ihrer Umgebung haben. Häufig wissen sie auch nicht, worauf sie sich einlassen, sind schlecht informiert über die geltende Gesetzeslage in den entsprechenden Ländern, beispielsweise ob es sich um eine anonyme Eizellspende handelt, wie etwa in Spanien, oder nicht.
Die anonyme Spende aber dürfte ein wichtiger Grund sein, weshalb Eltern über die Zeugungsgeschichte ihres Nachwuchses schweigen. Obwohl die meisten eigentlich vorhaben, ihr Kind aufzuklären, so die Bamberger Philosophin Birgit Mayer-Lewis, ringen sich am Ende höchstens 35 Prozent zu diesem Schritt durch. Für die auf diesem Weg entstandenen Kinder kann das „Familiengeheimnis“, aber auch die Kenntnis, von einer Mutter (oder einem Vater) abzustammen, zu dem keine Beziehung herzustellen ist, zum Problem bei der Identitätsbildung werden.
Die Folgen, die geteilte Mutterschaft hat, wurden bislang nur wenig untersucht, weil es sich um ein relativ neues Phänomen handelt. Noch weniger bekannt ist über die Eizellspenderinnen, deren Situation auf dem Forum ohnehin nur gestreift wurde. Obwohl sie wie die Wunscheltern zu der neuen familialen Beziehungskonstellation gehören, bleiben sie sozusagen „unterm Radar“ als Teil eines insgesamt asymmetrischen Machtverhältnisses, in dem sie den schwachen Pol repräsentieren.
Den Pool der Phänotypen vergrößern
Dass man durchaus mehr über sie wissen könnte, wurde auf der Kinderwunschmesse deutlich, wo berichtet wurde, dass beispielsweise eine Kinderwunschklinik in Alicante ausländische Studentinnen aus den umliegenden Universitäten als Eizellspenderinnen rekrutiert, um den Pool der Phänotypen zu vergrößern. Im Austausch wird den jungen Frauen angeboten, ihre Eizellen einfrieren zu lassen. Auf diese Weise wird die nächste Generation beiläufig schon wieder auf den Weg der technisch assistierten Reproduktion geführt.
So blieb die Veranstaltung in weiten Teilen auf die hiesigen Wunscheltern und das Wohl ihrer Kinder fokussiert. Die Annahme von Birgit Mayer-Lewis, die eine „überdurchschnittliche Eltern-Kind-Bindung“ nach Eizellspende unterstellt, wurde nur von Praktikerinnen aus dem Publikum konterkariert, die Erfahrungen mit älteren Müttern durch Eizellspende haben und deren Problemen, eine befriedigende Beziehung zu ihrem Kind aufzubauen.
Aber abgesehen davon, dass auch die Eizellspende nicht in jedem Fall zur Erfüllung des Kinderwunsches führt – die Erfolgsquote liegt zwischen 30 und 50 Prozent: Ist deren Freigabe nur eine Frage der Rahmenbedingungen und der Transparenz?
Asymmetrische Machtverhältnisse
Im Streitgespräch mit der Ethikrätin Claudia Wiesemann, von der Universitätsmedizin Göttingen, die sich explizit für eine Revision des Embryonenschutzgesetzes aussprach, war es einzig die Philosophin Susanne Lettow, von der FU Berlin, die die Eizellspende nicht nur als Gegenstand individueller Wunscherfüllung betrachten wollte: Wollen wir, fragte sie, eine Praxis befördern, die auf asymmetrischen Machtverhältnissen beruht und fremdnützige körperliche Eingriffe legitimiert, die durch sogenannte Aufwandsentschädigungen kompensiert wird?
Dass sich die Aufhebung der Anonymität, wie sie im Sinne des Familienwohls gefordert wird, auch als kontraproduktiv erweisen kann, lässt das Beispiel Großbritannien vermuten. Seit dem 1. April 2005 werden dort die Identität der Spenderinnen und die aus den Eizellen hervorgehenden Kinder registriert, Letztere haben das Recht, ihre genetische Herkunft zu erfahren.
Die Wartelisten auf Eizellen sind dort, wie die Expertinnen bestätigten, trotz vorbildlicher Rahmenbedingungen lang, und viele Briten mit Kinderwunsch nehmen den Weg auf das europäische Festland, oft in Länder, wo die Spende anonym, das Reservoir groß und die Behandlung kostengünstig ist.
Würde hierzulande das Verbot der Eizellspende also aufgehoben, wäre noch längst nicht geklärt, woher die Eizellen eigentlich kommen sollen. Denn niemand will das wohl zu einem Geschäftsmodell für die hier gestrandeten Flüchtlingsfrauen erklären.
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