Stromkonzerne

Milliardenverluste, Stellenabbau, Abwertungen: Der einstige Stromriese Eon legt eine katastrophale Bilanz vor. Passiert in der Branche

Keine Kohle mehr

Rekord Der einstige Stromriese Eon macht Tabula rasa und schreibt Milliarden Euro als Verlust ab. Dem Konzern geht es dennoch gut. Leiden werden vor allem die bis zu 1.300 Beschäftigten, die entlassen werden

Ausgeraucht: Das Heizkraftwerk der Eon-Tochter Uniper in Gelsenkirchen ist nicht mehr viel wert Foto: Hans Blossey/euroluftbild/picture alliance

von Bernward Janzing

FREIBURG taz | Rekordverlust bei Eon: Auf 16 Milliarden Euro belief sich im Geschäftsjahr 2016 das Minus des größten deutschen Energiekonzerns. Einen solchen Verlust hat es in deutschen Stromkonzernen noch nicht gegeben.

Firmenchef Johannes Teyssen zeigte sich dennoch gelassen bei der Bilanzpressekonferenz des Unternehmens am Mittwoch. Und dies, obwohl es nun schon der vierte Milliardenverlust in seiner Amtszeit ist, die 2010 begann. Der Konzernchef sprach nüchtern von einem „ganz besonderen Jahr“, von einer „Zeit besonderer Herausforderungen“, von einem „Jahr des Übergangs“. Das ist insofern richtig, als der horrende Bilanzverlust auf Abschreibungen basiert. Im operativen Geschäft mit Ökostrom und Stromnetzen arbeitet das Unternehmen rentabel.

„Schwieriges Marktumfeld“

Allein die Abschreibungen auf die Tochtergesellschaft Uniper, in der das abgespaltene traditionelle Kraftwerksgeschäft gebündelt wurde, schlagen mit 11 Milliarden Euro zu Buche. In den Büchern des Konzerns standen die Kraftwerke einst noch mit einem Wert von 15,5 Milliarden Euro – ein völlig überhöhter Betrag, seit die Anlagen aufgrund der niedrigen Großhandelspreise für Strom kaum noch Ertrag abwerfen. Beim Börsengang hatte der Markt die Firma Uniper mit etwa 4 Milliarden Euro bewertet; das wurde durch die Abschreibungen nun auch bilanztechnisch geradegerückt.

Darüber hinaus muss Eon Währungsverluste auf Uniper-Geschäfte in Höhe von 3,7 Milliarden als Abschreibungen verbuchen. Und dann gab es auch noch Belastungen von 2 Milliarden Euro, weil die Zahlungen an den öffentlich-rechtlichen Kernenergiefonds zur Finanzierung der Zwischen- und Endlagerung des Atommülls höher ausfallen als die bisher getätigten Rückstellungen.

Ähnlich geht es auch RWE. Der Konzern hatte im Februar für 2016 einen Verlust in Höhe von 5,7 Milliarden Euro verkündet und als Gründe zum einen das „schwierige Marktumfeld“ genannt, zum Zweiten auch die „hohe Einmalbelastung aus dem Kernenergiefonds“.

Während RWE allerdings konsequenterweise keine Dividende an seine Stammaktionäre bezahlt, rechtfertigt aus Eon-Sicht das positive Ergebnis aus dem operativen Geschäft weiterhin eine solche Zahlung. Allerdings fällt diese mit 21 Cent je Anteilschein geringer aus als im Vorjahr mit 50 Cent. Für 2017 stellt Eon bereits wieder eine Anhebung auf 30 Cent in Aussicht, Tendenz steigend.

Ein Verzicht auf eine Dividende wäre durchaus angezeigt gewesen, denn finanziell ist Eon alles andere als gut ausgestattet. Das Eigenkapital, nach dem internationalen Bilanzstandard IFRS ermittelt, belief sich zum Stichtag auf gerade mal 1,3 Milliarden Euro, die Eigenkapitalquote damit auf läppische 2 Prozent. Ein Jahr zuvor hatte das Eigenkapital noch 19 Milliarden Euro betragen.

Da von den Verlusten allein 13,8 Milliarden Euro aus „nicht fortgeführten Aktivitäten“ resultieren, wird sich ein solcher Verlust 2017 nicht wiederholen. Die Gefahr, dass Eon in Kürze das Geld ausgeht, ist daher eher gering. Der operative Cashflow lag 2016 bei immerhin rund 3 Milliarden Euro – doch auch das war ein Rückgang um 29 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Um das Eigenkapital zu stärken, denkt Eon nun an die Aufnahme von frischem Geld am Kapitalmarkt, und an den Verkauf von Beteiligungen. Speziell der Anteil an der Tochterfirma Uniper, die noch zu knapp 47 Prozent zu Eon gehört, könnte ab 2018 Geld in die Eon-Kasse bringen. Das ist nötig, denn es plagt weiterhin eine hohe Verschuldung. Sie soll mittelfristig von zuletzt 26,3 Milliarden auf rund 20 Milliarden Euro sinken.

Big Four? So nannte man einst die Atomkonzerne in Deutschland: Eon, RWE, Vattenfall, EnBW. Mit der Energiewende gehen sie unterschiedlich um.

Verstaatlichen: EnBW gehört fast komplett dem Staat. War eine Idee des alten BaWü-Ministerpräsidenten Stefan Mappus. Lustige Folge: Atomkonzern mit Grünen im Aufsichtsrat.

Verpissen: Die Vattenfall-Taktik. Der Konzern hat zwar noch einen Haufen Netze und Kraftwerke in Deutschland, die Braunkohle hat er aber komplett verkauft.

Verkleinern: Eon und RWE haben sich zerlegt. RWE hat jetzt die Tochter Innogy. Eon hat ­Uniper. Beide machen erneuerbare Energien. (ia)

Auch durch einen Personalabbau will der Konzern seine Finanzkraft stärken. Konzernweit sollen bis zu 1.300 Arbeitsplätze wegfallen, davon etwa 1.000 in Deutschland. An welchen Standorten das der Fall sein wird, sei noch nicht entschieden, sagte der Firmenchef gestern. Durch einen gleichzeitigen Umbau will der Konzern pro Jahr rund 400 Millionen Euro einsparen. Aktuell hat Eon rund 43.000 Mitarbeiter.

Die Aktionäre reagierten gestern einigermaßen entspannt auf die Bilanzzahlen. Zwar stand das Papier mit zeitweise bis zu 4 Prozent im Minus und damit am unteren Ende aller DAX-Werte, doch das ist bei einem solchen Bilanzverlust durchaus moderat. Schließlich waren die Anleger von den Zahlen nicht überrascht. Obgleich sie mit geringerem Verlust gerechnet hatten, war aber längst klar, dass Eon wegen der enormen Überkapazitäten am europäischen Strommarkt und der daraus resultierenden niedrigen Preise an der Strombörse hohe Abschreibungen auf seine fossilen Kraftwerke vornehmen muss.

Für Kunden des Konzerns dürfte der Bilanzverlust keine spürbaren Auswirkungen haben, was an dem positiven operativen Geschäft liegt. Die Netze werfen weiterhin Gewinne ab, auch wenn die Margen in Zukunft dort geringer werden. Und im Bereich der erneuerbaren Energien profitiert Eon – ­speziell mit seiner Offshore-Windkraft – von den durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz garantierten Konditionen.

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