Wenigstens spricht man miteinander

Russland Beim Antrittsbesuch von Sigmar Gabriel in Moskau kommen die Differenzen auf den Tisch

Gabriel widersprach seinem Kollegen sogar direkt

AUS MOSKAU Klaus-Helge Donath

Der russische Außenminister Sergei Lawrow und sein deutscher Amtskollege Sigmar Gabriel kennen sich seit Langem. Bei Gabriels Antrittsbesuch in Moskau am Donnerstag schaute der alte Bekannte Sergei wieder ziemlich mürrisch drein. Gabriel versuchte es dennoch, mit Witz und Freundlichkeit Lawrow zu einem Lächeln zu verleiten. Er gratulierte Lawrow zum 13. Jahrestag der Ernennung als Außenminister, der auf den Donnerstag fiel. Er selbst wisse zurzeit nicht einmal, ob er es bis in die 13. Woche schaffe, meinte Gabriel. Lawrow lachte flüchtig. Die Atmosphäre ist gereizt.

Sigmar Gabriel warnte vor den Konsequenzen einer Aufrüstungsspirale. Wie könne man stattdessen zu konkreten Abrüstungsschritten in Europa kommen, fragte er. Die Antwort lieferte er gleich mit. Solange es nicht gelinge, den Ukraine-Konflikt zu lösen, dürften auch keine weiteren Abrüstungsvereinbarungen möglich sein.

Deutlich wurde, dass Moskau sich wünscht, die USA in die Lösung des Ukrainekonflikts mit einzubeziehen. Lawrow ließ durchblicken, dass es neben dem Normandie-Format ohnehin immer einen zweiten Kanal mit den USA gegeben hätte. Erst Washington garantiert Moskau die Anerkennung als Großmacht.

Die völlig kontroverse Sicht der Dinge auf beiden Seiten wurde deutlich, als der russische Außenminister auf die Frage einging, warum Russland in westlichen Medien so kritisch dargestellt werde. Es folgte ein minutenlanger Rundumschlag. Die vermeintliche Einkreisung Russlands durch die Nato, die Stationierung von Nato-Truppen an den Grenzen Russlands und Raketenabwehrsysteme, die angeblich nicht gegen Russland gerichtet seien, nannte Lawrow als Streitpunkte. Es folgte die Behauptung, der Westen hätte in der Ukraine 2014 einen Staatsstreich verübt und „faschistische“ Kräfte unterstützt.

Das negative russische Image habe Russland dem Westen zu verdanken: Seit dem Zeitpunkt, als „unsere westlichen Partner das Gefühl hatten, dass Russland nicht blindlings ihrer Linie folgen will“, meinte Lawrow. Der Außenminister konnte die Aggressivität kaum verbergen. Sigmar Gabriel schien wie versteinert und versuchte, Lawrows Behauptungen durch ein paar Einwände zurechtzurücken. Er verstieß dabei sogar gegen das Reglement und widersprach dem Kollegen direkt.

Daran wurde noch einmal deutlich, dass es zurzeit im deutsch-russischen Verhältnis nicht um Klärung von Sachfragen geht. Wenn es gelingt, die Kontakte nicht abreißen zu lassen, ist schon viel gewonnen.