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Nur drei Wochen zur Regierungsbildung

Nordirland Sinn Féin mit größtem Stimmenzuwachs. Aber ohne die Protestanten der DUP geht nichts

AUS DUBLIN Ralf Sotscheck

Sinn Féin, die frühere Partei der aufgelösten Irisch-Republikanischen Armee (IRA), ist die große Gewinnerin der Wahlen zum nordirischen Regionalparlament. Zwar liegt sie mit 27 gewonnenen Sitzen einen Sitz hinter der Democratic Unionist Party (DUP), aber bei den Wahlen vor zehn Monaten betrug die Differenz noch zehn Sitze.

Es musste neu gewählt werden, weil Sinn Féin aus der Koalition mit der DUP ausgetreten war. Die Partei warf der DUP-Chefin und Premierministerin Arlene Foster „Verschwendung öffentlicher Gelder, Fehlverhalten und Korruption“ vor. Foster hatte 2012 als Unternehmensministerin den Firmen einen Zuschuss von 1,60 Pfund für jedes Pfund garantiert, das sie für erneuerbare Energien ausgeben. Seitdem wird in Nordirland auf Teufel komm raus geheizt. Das Programm wird bis zum Ende seiner Laufzeit von 20 Jahren eine halbe Milliarde Pfund kosten. Foster hat auf Kritik an dem Programm arrogant reagiert.

Neben der Angst vor dem Brexit, für den die DUP als einzige nordirische Partei eingetreten ist, war das ausschlaggebend für das Wahlergebnis. Die Wut auf Foster hat viele junge Menschen zur Stimmabgabe animiert, so dass die Wahlbeteiligung im Vergleich zum vorigen Jahr um 10 Prozentpunkte auf 65 Prozent gestiegen ist. Sinn Féin habe ihre Wähler sehr effektiv mobilisiert, räumte Foster ein, freute sich aber, dass die DUP noch immer stärkste Partei sei. Der Vorsprung vor Sinn Féin beträgt allerdings nur noch 0,15 Prozent.

Da die kleinere Ulster Unionist Party nur zehn Mandate gewann, haben die unionistischen Parteien erstmals keine absolute Mehrheit im Regionalparlament, das von 108 auf 90 Sitze reduziert wurde. Darüber hinaus hat die DUP ihr Vetorecht verloren, denn dafür sind 30 Sitze notwendig. Bisher konnte sie zum Beispiel Versuche unterbinden, die gleichgeschlechtliche Ehe zu legalisieren.

Die Wahlbeteiligung stieg von 55 auf 65 Prozent

„Das ist ein fantastischer Tag für die Gleichstellung, und es ist ein großer Tag für die Demokratie“, sagte Sinn Féins Fraktionschefin Michelle O’Neill am Samstagmorgen, als die Stimmen endlich ausgezählt waren. Sie will keine Koalition mit der DUP eingehen, wenn Foster nicht auf ihr Amt bis zum Abschluss der Untersuchung gegen sie verzichtet. Foster denkt jedoch nicht an Rücktritt. Ihr Parteikollege Jeffrey Donaldson sagte: „Ich kann mich an keine Wahl erinnern, nach der ein Parteichef der größten Partei zurückgetreten ist, weil er die Wahl gewonnen hat.“

Laut Belfaster Abkommen vom Karfreitag 1998 muss die nordirische Regierung aber aus einer Koalition von Katholiken und Protestanten gebildet werden. Die Verhandlungen beginnen heute. Die Parteien haben nur drei Wochen Zeit. Fall sie sich bis dahin nicht einigen, müsste der britische Nordirland-Minister James Broken­shire laut Gesetz Neuwahlen ansetzen. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass die britische Regierung ein Eilgesetz verabschiedet und vorerst die Direktherrschaft übernimmt.

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