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Einfach nur draufloskneten

Kunst In den Kinderkursen des Bremer Kunsthauses Kubo darf viel ausprobiert werden. Entwicklung statt Perfektion wird hier gefördert

Im Bremer Kunsthaus Kubo können sich Kinder ausprobieren. Anders als in vielen Kindergärten, wo Erzieherinnen aus Hand-, Fuß- und Fingerabdrücken der Kinder lustige Tiere nach Vorlage machen, sind der kindlichen Fantasie und Kreativität im Kubo keine Grenzen gesetzt. Ein Star-Wars-Helm aus Pappmaschee oder ein Keramikpelikan – wenn mal etwas nicht gelingt, ist das auch nicht schlimm. In dem hellen Raum in einem Hinterhof im Bremer Ostertorviertel müssen keine perfekten Kunstwerke erschaffen werden.

„Alles kann, nicht muss“ – so kann man das Motto des Kultur- und Bildungsvereins Ostertor, kurz Kubo, zusammenfassen. „Das Kubo ist ein Ort der Begegnung mit Kunst. Hier kann Kunst zwangfrei und ohne Druck ausprobiert werden“, beschreibt die Künstlerin Ele Hermel vom Kubo das Konzept.

Erwachsene, aber vor allem Kinder können in unterschiedlichen Kursen Kunst kennenlernen. Das Programm reicht von Zeichnen, Schablonenkunst und Graffiti bis hin zum Bau einer Spiele-App. Mehr als 20 KünstlerInnen mit unterschiedlichen Fachgebieten geben Kurse im Kubo. „Bei allen Kursen steht die persönliche Entwicklung im Vordergrund“, sagt Hermel. Es müsse nicht immer ein Endprodukt entstehen. „Wenn man ein Material wie Ton erst mal nur durchknetet, ist das auch in Ordnung“, sagt Katrin Jahn, die ebenfalls zum Kubo-Team gehört. „Unsere Kursteilnehmer sollen erst das Material und dann die Grundlagen nach ihren individuellen Interessen kennenlernen.“

Es gibt viel zum Ausprobieren: Farben, Holz, Ton, Keramik, Stoffe, Perlen, Pappe, Kameras und sogar eine Trickfilmbox können die Kinder benutzen. Auch muss nicht an den großen Tischen gearbeitet werden. Wer lieber steht oder seinen Arbeitsplatz im Raum aufbauen möchte, darf das im Atelier. „Die Kinder dürfen hier selbst entscheiden, was sie machen wollen. Anders als im Schulunterricht gibt keine Aufgaben- oder Zeitvorgaben“, so Hermes. Im Kubo arbeite jeder ohne Druck in seinem eigenen Tempo.

„Wenn man vor dem Rohmaterial steht, hat man die totale Freiheit“, so Hermel, die selbst Kunst studiert hat. Häufig müssten Kinder erst lernen, wie sie mit dieser Freiheit umgehen sollen. „Wenn ein Kind keine Idee hat, kann es mit dem Kursleiter eine Idee entwickeln. Ihm wird aber nichts im Vornherein vorgegeben“, sagt Hermel.

Gegründet wurde der Verein 1981, Ele Hermel gehört seitdem zum Team und entwickelte das Haus zu einem Kunsthaus mit Schwerpunkt auf Kinder- und Jugendliche. „Es hat sich in den letzten 30 Jahren einiges verändert. Viele Kinder sind abgekämpft und haben keine Zeit mehr, nachmittags Kunstkurse zu besuchen“, so Hermel. „Die Gelassenheit der Kinder ist verschwunden. Außerdem steht Kunst nach Schule, Sport und Nachhilfe leider nur an vierter Stelle“, sagt ihre Kollegin Jahn.

Aus diesem Grund arbeite das Kubo auch mit Schulen zusammen. „Wir dekorieren die Klassenräume mit Bildern und stellen die Tische um. Es soll nicht wie Schule aussehen“, so Jahn. Das ändere die Arbeitsatmosphäre. Egal wo das Kubo-Team arbeite, soll Lust am Ausprobieren im Vordergrund stehen.

Dazu bedarf es kreativer Ansätze: Im Keramikkurs töpfern nicht alle Kinder eine Schale, sondern entwickeln eigene Ideen. „Was magst du gerne?“ oder „Was hast du Lustiges erlebt“ sind Fragen, die den Kindern gestellt werden. „Wir wollen hier keine Kunststudenten ausbilden, sondern Kindern beibringen, kreativ mit Aufgaben umzugehen, sagt Künstlerin Hermel.

Kinder ab drei Jahren dürfen im Kubo herumprobieren. Auch wenn ein Kind mal keine Lust hat oder sich nicht konzentrieren kann, wird das akzeptiert. „Die Kinder wissen, dass bei uns vieles erlaubt ist und schauen auch mal nur den anderen zu oder nehmen sich ein Buch“, sagt Jahn. Vanessa Reiber

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