Verschwiegene Jäger
DAILY DOPE Ein deutscher Radprofi wird mit Epo erwischt – ein Erfolg im Kampf gegen Doping. Warum aber die Nada darüber zunächst nicht informiert, wirft Fragen auf
von Tom Mustroph
Die schöne Story vom Wandel durch Generationswechsel hat einen Knacks erhalten. Ein Radsportler, der zwei Jahre nach der Blutbeutel-Affäre Puerto seinen ersten Profivertrag unterschrieb und damit zur neuen Generation zu zählen ist, wurde bei der Deutschen Meisterschaft im Jahre 2015 mit Epo erwischt. Bekannt wurde der Fall aber erst in diesem Jahr, und das auch nur stückweise.
Gut, Christoph Springer war kein Sportler, der für Schlagzeilen sorgte. Nur einen großen Moment hatte er in seiner Karriere. In seinem zweiten Profijahr, 2009, gewann er die Ägyptenrundfahrt. Von Springer hätte wohl kaum jemand noch einmal Notiz genommen, wenn sich bei den nationalen Meisterschaften 2015 nicht Epo in seinem Körper befunden hätte. Dass ein Fahrer, der seine ganze Karriere bei drittklassigen Teams verbracht hatte und auf Rang 60 der Meisterschaften einkam, überhaupt getestet wurde, kann man als Signal der Nationalen Antidopingagentur Nada bewerten: Auch wer hinten herumkrebst, muss gewärtig sein, kontrolliert zu werden.
Dass die Nada jedoch mit ihrem Erfolg nicht hausieren ging, verwundert. Über eine positive Probe eines Teilnehmers der Deutschen Meisterschaften 2015 wurde lange Zeit gar nichts bekannt. Springer selbst wurde knapp einen Monat nach Entnahme der Probe darüber informiert, dass er vorläufig suspendiert sei. Weder die Nada noch der Radsportverband BDR gaben dies bekannt. Nada-Sprecherin Eva Bunthoff erklärte der taz, dass vorläufige Suspendierungen nicht veröffentlicht werden, weil sich ja noch die Unschuld des Sportlers herausstellen könne.
Es ist aber nicht einmal vermeldet worden, dass eine positive A-Probe bei den Meisterschaften genommen worden ist. Auch nach Öffnung der B-Probe – sie bestätigte den Epo-Befund – im August 2015 wurde der Fall nicht publik gemacht. Danach zog sich das Verfahren über ein Jahr hin. Kurz vor Weihnachten 2016 wird Springer laut Schiedsspruch dann zu vier Jahren Sperre verurteilt.
Selbst jetzt stößt die Nada aber nicht ins große Horn. Der Fall verschwindet vielmehr in den Tiefen des Online-Archivs der Agentur. Der Nachname des Verurteilten ist geschwärzt. Auch Hinweise, die zu einer Identifizierung beitragen könnten, sind unkenntlich gemacht. Die Nada beruft sich auf den Datenschutz. „Nach Auffassung der für die Nada zuständigen datenschutzrechtlichen Aufsichtsbehörde ist eine Veröffentlichung des vollständigen Namens eines des Dopings überführten Athleten im öffentlich zugänglichen Internet nicht verhältnismäßig und daher unzulässig. Deshalb verfolgt die Nada eine restriktive Veröffentlichungspraxis im Rahmen der NADAjus-Datenbank“, sagt Agentursprecherin Bunthoff.
Warum die Nada aber nicht wie andere Antidopingagenturen auch, etwa das italienische Coni, regelmäßig Pressemitteilungen über aktuell gesperrte Athleten verschickt, konnte Bunthoff nicht erklären. Das Coni gibt sogar für die Verhandlungstermine der Prozesse bekannt. Gleiches gilt für das internationale Berufungsgericht Cas.
Der Radsportweltverband UCI listet immerhin die Namen gesperrter Athleten. Hier finden allerdings systematisch nur die Fälle Eingang, bei denen die UCI auch Kläger ist. Springers Name fehlt also.
Die Geschichte wird noch durch einen anderen Aspekt brisant. Kurz nach der Öffnung der B-Probe beendete Springer seine Karriere und wechselte ins Management des Schweizer Rennstalls Roth-Skoda. Ob sein neuer Arbeitgeber vom laufenden Dopingverfahren wusste und Springer trotzdem einstellte oder Letzterer diesen Fakt verheimlichte, ist unklar. Auf Nachfragen reagierte das Team nicht. Auf der Website des Nachfolgeteams Roth-Akros ist Springers Name nicht mehr zu finden.
Laut Branchendienst radsport-news will der BDR immerhin bei der nächsten Ausgabe der Verbandszeitung das Urteil gegen Springer veröffentlichen. Dann auch mit voller Namensnennung. Die taz ließ sich Springers Namen von der Nada bestätigen. Bei „berechtigtem Interesse“ könne der Name bekanntgegeben werden, meinte Bunthoff. Frühere Artikel in anderen Medien verwiesen auf einen „unbekannten Sportler“.