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Große Sorgen bei den Kleinsten

ERZIEHUNG Bundesweit kämpfen Kitas um Personal. Gewerkschaften rufen nun zum Warnstreik

BERLIN taz | Fröhliche Hintergrundmusik, zuckersüße Kinder, strahlende Erzieher*innen. „Unser München. Unsere Kinder. ErzieherInnen gesucht!“, so lockt München seit Ende 2013 in einem Video. Etat der Kampagne: knapp eine Million Euro.

Die Werbung hat ihren Grund. In den 400 städtischen der insgesamt 1.300 Münchner Kinderbetreuungseinrichtungen fehlen 216 Erzieher*innen. „Wir werben intensiv um Personal, aber der Stellenmarkt ist sehr dünn“, sagt Ursula Oberhuber, Sprecherin des Bildungsreferats. „Uns fehlt ein Puffer, wenn zum Beispiel eine Kollegin krank wird.“

Es ist ein bundesweites Problem: Kitas finden kein qualifiziertes Personal. Frankfurt, Hannover, Berlin, Hamburg, Stuttgart, Leipzig, Dresden, Rostock – die Liste von Norbert Hocke ist lang. Der Leiter des Bereichs Jugendhilfe und Sozialarbeit der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) weiß, dass Fachkräfte vor allem in Städten und Ballungszentren fehlen. Viele Kitas greifen zum teuren Notnagel „Leiharbeit“. Doch auch da sind Fachkräfte knapp. „Wir haben eine deutschlandweite Personalnot“, sagt Hocke. „Es fehlen mehrere Zehntausend Erzieher und Erzieherinnen. Manche Einrichtungen laufen auf dem Zahnfleisch.“

Seit August 2013 haben Eltern von Kindern zwischen einem und drei Jahren einen rechtlichen Anspruch auf einen Betreuungsplatz. Viele Kitas haben ausgebaut. Personal aber findet sich vielerorts keines. Der Koblenzer Sozialwissenschaftler Stefan Sell betont: „Das ist nicht nur ein Problem von einzelnen Einrichtungen. Das System läuft heiß.“ Man habe einzelne Erzieher*innen aus dem Ruhestand reaktiviert. „Aber jetzt sind die Reserven weg.“

Bessere Bezahlung kann den Beruf attraktiver machen, das weiß auch die Politik. Berlins Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) will Erzieher*in in Deutschland nun zum „Mangelberuf“ erklären lassen. Dadurch würde die Bundesagentur für Arbeit die gesamte Ausbildung von Quereinsteiger*innen unterstützen.

In Berlin könnte der Stempel „Mangelberuf“ auch zur besseren Bezahlung von Erzieher*innen führen. Die Fachkräfte der landeseigenen Betriebe – rund 70 Prozent der etwa 2.400 Berliner Kitas – fallen dort nämlich unter den Ländertarifvertrag und verdienen bis zu 430 Euro weniger als etwa Kolleg*innen in Brandenburg. Auch vor dem Hintergrund der kürzlich begonnenen Tarifverhandlungen rufen GEW und Verdi daher am Donnerstag zu einem Warnstreik auf.

Doch mit der Bezahlung allein sei es nicht getan, sagt Sell. Bis zu 20 Prozent der jungen Erzieher*innen orientieren sich nach der Ausbildung um. Denn: „Der Berufseinstieg ist mies.“ Unbefristete Vollzeitstellen fehlen.

Ironischerweise könnten bessere Arbeitsbedingungen das alles noch verschärfen. Die GEW wirkt aktuell am Qualitätsentwicklungsgesetz der Jugendministerkonferenz und des Bundesfamilienministeriums mit. Dieses soll in der nächsten Legislaturperiode unter anderem die Erzieher-Kinder-Relation, Krankheitsvertretungen und die Vorbereitungszeit verbessern. Für Berlin rechnet GEW-Mann Hocke vor: „Bei nur einer Stunde mehr Vorbereitung und Nachbereitung bräuchten wir 2.000 Stellen mehr.“

„Die Einrichtungen laufen auf dem Zahnfleisch“

Norbert Hocke, GEW

Laut GEW fehlen aber schon jetzt 1.000 Erzieher*innen in der Hauptstadt. Sell sieht einen Ausweg in einer stärkeren Finanzierung durch den Bund. Außerdem könne die Tagespflege „den Druck aus dem Kita-Problem nehmen“. Das Dilemma auch hier: „Die Vergütungssituation ist miserabel.“

Britta Licht, Leiterin der Humanistischen Kindertagesstätten Berlin-Brandenburg, betont vor allem: „Der Beruf muss besser anerkannt werden.“ Licht sucht seit Jahren nach Verstärkung, aktuell nach zehn Vollzeitstellen für ihre 24 Kitas. Wie viele andere Träger setzt ihr Verband darauf, an einer eigenen Fachschule selbst auszubilden.

In München läuft seit Herbst ein Modellversuch: Abiturient*innen können die Ausbildung zur Erzieher*in verkürzen. Bildungssprecherin Oberhuber vermeldet Erfolge: „Wir hatten 240 Bewerbungen auf 50 Plätze und konnten auch 20 Prozent Männer einstellen.“ Nun hofft sie, dass die jungen Leute nach der Ausbildung auch bleiben. Astrid Ehrenhauser

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