Proteste und bizarre Vorwürfe

Rumänien Trotz eines Rückziehers der Regierung in Sachen Korruptionsgesetz gehen die Demonstrationen weiter. Die gegnerischen Lager bewerfen sich mit Dreck

Proteste vor dem Regierungsgebäude in Bukarest am Sonntagabend Foto: Andreea Alexandru/ap

von William Totok

BERLIN taz | Proteste in Rumänien ohne Ende: Eine halbe Million Demonstranten ist Sonntagabend in Bukarest und vielen anderen Städten des Landes erneut auf die Straße gegangen. Und das, obwohl die Regierung der Forderung der Teilnehmer an den Massenprotesten stattgegeben und die per Eilverordnung beschlossenen strafrechtlichen Änderungen außer Kraft gesetzt hatte. Was als Protest gegen den Versuch, die Antikorruptionsmaßnahmen aufzuweichen, wahrgenommen wurde, schlug am Sonntag in radikalere Forderungen um. Lautstark wurde der Rücktritt der Regierungskoalition aus Sozialdemokraten der PSD und den „Liberalen“ der Alde gefordert.

Premier Sorin Grindeanu erklärte, er werde keinesfalls zurücktreten. Er berief sich auf die Wahlergebnisse vom Dezember, die jeder zu respektieren habe. Die einzige Möglichkeit, eine Demission der Regierung durchzusetzen, sei ein Misstrauensantrag, über den das Parlament abstimmen müsse.

Dieses Mittels versuchen sich die Oppositionsparteien zu bedienen. Unter dem Titel „Die Regierung Grindeanu – eine Regierung der nationalen Herausforderung. Keine Legalisierung des Raubs in Rumänien“ wurden am Montag im Parlament der Text eines Misstrauensantrags verlesen und die Abgeordneten aufgefordert, demnächst darüber abzustimmen.

Inzwischen zirkulieren bizarre Schuldzuweisungen, die die verfeindeten Gruppen – auf der einen Seite die von Präsident Klaus Johannis unterstützte Protestbewegung, auf der anderen Seite die Sympathisanten und die Wählerschaft der Regierungsparteien – in Umlauf bringen.

Es zirkulieren Be­richte über dubiose Einnahmequellen des Präsidenten

Die etwa 2.000 Demonstranten, die am Sonntag vor dem Präsidialpalast demonstrierten und den Rücktritt von Johannis forderten, wurden als sozialschmarotzende Rentner dargestellt. Auf Facebook wurde gefordert, dieser Kategorie das Wahlrecht abzuerkennen, da die PSD ihren Wahlsieg diesen Leute zu verdanken habe. PSD-Chef Liviu Dragnea, ein nationalistischer Populist, griff Johannis an und forderte die Finanzbehörde (Anaf) auf, dessen Steuerunterlagen zu überprüfen.

Seit Monaten zirkulierten Berichte über dubiose Einnahmequellen des Präsidenten, der in Hermannstadt Besitzer mehrerer Häuser ist und Nachhilfestunden nicht versteuert haben soll. Johannis hat diese Anschuldigungen zurückgewiesen. Wer den Knoten zwischen den unversöhnlichen Lagern zu lösen vermag, ist schwer zu sagen. Vor allem deshalb, weil weitere Demonstrationen angekündigt sind und die Teilnehmer die Regierung stürzen wollen.

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