: Prügel verheimlicht
Wachdienst-Skandal
Sie sollen drei Männer aus Pakistan in einer Lingener Flüchtlings-Notunterkunft schwer misshandelt haben. Am kommenden Dienstag beginnt vor dem Amtsgericht Lingen der Prozess gegen zwei Mitarbeiter eines Wachdienstes. Merkwürdig bei der Sache: Der Fall ereignete sich bereits Ende 2015, aber erst vor wenigen Tagen gelangte der Fall an die Öffentlichkeit.
Zur Begründung nannte die Polizei gegenüber dem NDR Verständigungsprobleme und die Suche nach Zeugen, die sich zwar schnell gemeldet hätten, aber dann in andere Unterkünfte verlegt worden seien. Erst im März vergangenen Jahres – der Vorfall hatte sich am 20. Dezember 2015 ereignet – sei der Abschlussbericht erstellt worden.
Deswegen hätten die Ermittler den Fall nicht an die zuständige Pressestelle der Polizei weitergegeben. Selbst die Polizeiinspektion Emsland/Grafschaft Bentheim habe erst mit der Prozessankündigung des Amtsgerichts von den Vorfällen erfahren.
In der damals als Notunterkunft für Geflüchtete genutzten Turnhalle des Lingener Gymnasiums Georgianum sollen die Angeklagten die drei Männer in einen Toilettenraum eingeschlossen und jeden einzeln herausgeholt und verprügelt haben. Einer der Männer soll mit dem Kopf gegen eine Wand geschlagen worden sein. Die Opfer erlitten unter anderem Prellungen und einen Nasenbeinbruch.
Durch Schläge gegen den Kehlkopf soll einer der Männer beinahe das Bewusstsein verloren haben, woraufhin Sanitäter gerufen wurden, die ihm Sauerstoff verabreichten. Aber offenbar – und auch das ist höchst merkwürdig – nahmen diese nicht wahr, dass sie soeben ein Folteropfer behandelt hatten: Weder intervenierten sie, noch erstatteten sie Anzeige. Und die Angeklagten ließen danach keineswegs von ihren Opfern ab, sondern schlossen sie, so die Staatsanwaltschaft, danach erneut im Toilettenraum ein – bis zum nächsten Tag.
Der Landkreis Emsland, der im Rahmen der Amtshilfe die mittlerweile wieder als Schul-Turnhalle genutzte Notunterkunft eingerichtet und verantwortet hat, will sich auf taz-Anfrage „aufgrund des laufenden Verfahrens“ nicht äußern – auch nicht zu der Frage, welcher Wachdienst für die Notunterkunft zuständig war und nach welchen Kriterien er ausgesucht wurde. Kreissprecherin Anja Rohde teilte lediglich mit, dass auch der Landkreis erst durch das Amtsgericht Kenntnis von den Vorfällen erhalten habe.
Im Dunkeln bleibt auch die Rolle des Betreibers der Unterkunft, des DRK-Kreisverbandes Emsland: Er äußerte sich auf Anfragen der taz gar nicht. schn
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