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„Sie wollte töten“

TERROR Die Schülerin Safia S. attackierte mit einem Messer einen Polizisten, aus islamistischem Motiv. Nun muss sie sechs Jahre in Haft. Ihr Anwalt beantragt Revision

Aus Celle Andreas Wyputta

Mitten in Hannovers Hauptbahnhof läuft ein Mädchen am 26. Februar 2016 einer Polizeistreife so lange hinterher, bis sie kontrolliert wird. Plötzlich zückt die Jugendliche ein Gemüsemesser, stößt es einem der Bundespolizisten in den Hals. Wegen dieses Angriffs hat das Oberlandesgericht Celle die heute 16 Jahre alte Safia S. am Donnerstag zu sechs Jahren Haft verurteilt. Der als Mitwisser angeklagte Hasan K. muss zweieinhalb Jahre ins Gefängnis.

Als Sympathisantin des sogenannten „Islamischen Staats“ (IS) habe Safia S. den Beamten, der eine fünf Zentimeter tiefe Verletzung erlitt, „nicht nur verletzen, sondern auch töten“ wollen, sagte Gerichtssprecherin Jessica Laß – davon sei der Celler Staatsschutzsenat überzeugt. Wegen des Alters der Angeklagten erfolgte die Urteilsbegründung, wie der gesamte Prozess, unter Ausschluss der Öffentlichkeit.

Richter Frank Rosenow entsprach mit der Verurteilung wegen versuchten Mordes, gefährlicher Körperverletzung und Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung weitgehend den Forderungen der Bundesanwaltschaft, die den Fall an sich gezogen hatte. Oberstaatsanwalt Simon Henrichs hatte für Safia S. ebenfalls sechs Jahre, für Hasan K. dagegen drei Jahre Haft gefordert.

Der Fall des in Hannover geborenen und aufgewachsenen Mädchens, das bis zur Tat nie Probleme mit dem Gesetz hatte, gilt als prototypisch für die Radikalisierung von Jugendlichen durch islamistische Ideologen. Im Internet kursiert ein Video, in dem die Tochter eines aus Deutschland stammenden Vaters und einer in Marokko geborenen Mutter bereits 2008 zusammen mit dem Salafistenprediger Pierre Vogel Koranverse zitiert. Als 14-Jährige zeigte sie im Politikunterricht des Hannoveraner Käthe-Kollwitz-Gymnasiums Verständnis für den mörderischen Terrorangriff auf die Redaktion der französischen Satirezeitschrift Charlie Hebdo.

Vor ihrem Attentat auf den Bundespolizisten soll Safia S. versucht haben, sich dem IS in Syrien anzuschließen. Ihrer als strenggläubig geltenden Mutter gelang es aber, die Jugendliche aus Istanbul nach Hannover zurückzubringen.

„Das Urteil ist eindeutig zu hart“

Verteidiger Mutlu Günal

Entscheidend für die Verurteilung seien Chatprotokolle gewesen, die auf dem beschlagnahmten Handy von Safia S. gefunden worden sind, sagte Gerichtssprecherin Laß. Eine IS-Instrukteurin, die sich „Leyla“ nannte, soll der damals 15-Jährigen alle Details ihrer Attacke vorgeschrieben haben. Aus dem Arabischen übersetzt wurden die Chats aber erst nach dem Messerangriff.

Die Opposition aus CDU und FDP im niedersächsischen Landtag hat diese mögliche Panne, aber auch eine mögliche Beteiligung des Mitwissers Hasan K. an einem befürchteten Anschlag auf das im November 2015 abgesagte Fußballländerspiel in Hannover zur Einsetzung eines Untersuchungsausschusses genutzt.

Der Verteidiger von Safia S., Mutlu Günal, warf den Sicherheitsbehörden Versagen vor: „Die Tat hätte verhindert werden können.“ Günal kündigte an, vor dem Bundesgerichtshof in Revision gehen zu wollen. „Das Urteil ist eindeutig zu hart.“ Weder die Tötungsabsicht sei nachgewiesen noch die IS-Unterstützung. Auch habe sich Safia S. bei den Opfern entschuldigt. Das, so Günal, sei ihm von radikalen Attentätern nicht bekannt.

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