: Der alternative Stadtrat der AfD
WAHLAfD-Mann Bernward Eberenz übernimmt im Bezirksamt Neukölln die Verantwortung für Natur
Trägt man zusammen, was über den Neuköllner Stadtrat für Umwelt und Natur bekannt ist, wirft das ein schillerndes Licht auf den AfD-Mann. Bernward Eberenz spricht, so liest man, Russisch und Türkisch und liest Hebräisch. Der 55-Jährige ist schwul und hat mit seinem früheren türkischen Ehemann in Istanbul gelebt. Er hat einen Taxischein und arbeitete als Übersetzer und Lehrer, studiert hat Eberenz Philosophie, Politik, Geschichte und Musik. Auf seiner Webseite präsentiert er sich als Autor von „Charakterskizzen, Essays und Aphorismen“, die er auf CDs und Lesungen vorträgt.
Politisch engagiert hat er sich bis zu seinem AfD-Eintritt im vergangenen Sommer nicht, der Gedanke daran habe ihn „gelangweilt“, sagte Eberenz laut RBB auf eine entsprechende Frage aus der SPD-Fraktion in der Neuköllner Bezirksverordnetenversammlung (BVV).
Was man dagegen von ihm nicht hört, sind typische AfD-Sprüche. Eberenz befürwortet Kanzlerin Merkels Grenzöffnung für Flüchtlinge im Sommer 2015: Man könne „einen Mensch, der aus den Trümmern kommt, die einmal Syrien hießen“, nicht einfach stehen lassen, sondern müsse helfen. Dass er gleichzeitig die kritisiert, die sich Integration zu einfach vorstellten, dass er dem Islam eine „völlig andere Auffassung von Freiheitsrechten oder der Gleichberechtigung der Geschlechter“ attestiert, sind Haltungen, die SPDler auch aus eigenen Reihen kennen. Die Rede des Thüringer AfDlers Björn Höcke, der das Holocaustmahnmal ein gegen Deutschland gerichtetes „Schandmal“ nannte, nennt Eberenz „polemisch, hetzerisch und indiskutabel“. Als Umwelt-Stadtrat wolle er einen klimaneutralen Bezirk, gegen Atomkraft ist er auch.
Vielleicht ist diese politische und persönliche Unschärfe der Grund, dass Eberenz am Mittwoch im fünften Wahlgang doch noch die nötige Stimmenanzahl bekam – wenn auch knapp. 17 Bezirksverordnete hatten mit Ja, 16 mit Nein gestimmt, 19 sich enthalten oder ihren Wahlschein ungültig gemacht. Zuvor hatte der Bezirk den Stadtratsposten zurechtgeschrumpft: Bislang hatte der Stadtrat für Natur auch die Verantwortung für die Abteilung Bauen und die Bürgerämter. akw
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