Zerstörung Kann man Palmyra, das auch ein Ort europäischer Erinnerungskultur war, wiederaufbauen?
: Krieg gegen Symbole

Schon Gottfried Benn hatte über den Gang der Geschichte gedichtet: „. . . doch dann wandern die Wüsten in Palmyra ein“. Horst Bredekamp will sich nun nicht damit abfinden, dass das mitten im kriegsgeschüttelten Syrien gelegene Palmyra, heute Unesco-Weltkulturerbe, für immer verloren sein soll. Der Kunstgeschichtler der Humboldt Universität in Berlin eröffnete mit einem Vortrag zu „Palmyra als Extrem eines neuen Ikonoklasmus“ am Donnerstag in der Berliner Akademie der Künste eine Podiumsdiskussion.

2015 hatte der „Islamische Staat“ Palmyras antike Tempelreste, den römischen Triumphbogen und viele Grabbauten gesprengt. Für Bredekamp ein neuer Bildersturm, wie er aus der europäischen Geschichte nicht ganz unbekannt sei. Allerdings betonte Bredekamp, dass religiöse Motive für die Zerstörung von Bildwerken seit dem Westfälischen Frieden in Europa verschwunden seien.

Selbst wenn das stimmte – sind politische Gründe deshalb besser? In gewisser Weise kann Bredekamp das Moment des ­Revolutionären, wie es sich in der Bilderstürmerei von Französischer und Oktoberrevolution bemerkbar machte, noch eher verstehen als die Taten des IS. Dessen Zerstörungswut richtete sich in Palmyra durchaus auch gegen islamische Monumente. Vor allem wollte der IS aber wohl Palmyra als Ort europäischer Erinnerungskultur treffen, der – seit dem 18. Jahrhundert von Europäern beschrieben, gezeichnet und besungen – heute vor allem als Multikultischauplatz geschätzt wird, wo es seit der Antike eine Kontinuität des Miteinanders von Religionen, Kulturen und Völkern gegeben habe. Palmyra sei Symbol gewesen und deshalb zum Ziel des IS geworden, der damit einen „gezielten Angriff auf die Toleranz an sich“ begannen habe, so Bredekamp. In der apokalyptischen Strategie des IS würden Symbole genauso vernichtet wie Menschen. Ziel sei es, die Kontinuität der Geschichte buchstäblich aufzusprengen. Bredekamps Gegenstrategie: „kämpferische Rekonstruktion“.

Im Prinzip zeigte man sich in der anschließenden Podiumsdiskussion damit einverstanden. Stefan Weber, Direktor des Islamischen Museums in Berlin, berichtete, dass er bereits begonnen habe, ein digitales Archiv zu syrischem Kulturgut aufzubauen, das Grundlage zur Rekonstruktion auch von Palmyra liefern könnte.

Dazu aber gebe es keine Eile. Denn mit der kämpferischen Rekonstruktion, so gab Weber zu bedenken, „lassen wir uns auf einen Kampf ein, den wir gar nicht wollen“. Johannes Odenthal, Programmdirektor der Akademie, meinte hingegen, man dürfe nicht kampflos aufgeben, müsse jetzt Öffentlichkeit schaffen und Allianzen bilden.

Ronald Berg