Liebeserklärung: Kreative Schwule
„WelT“-Chef Poschardt wollte, dass Deutschland „schwuler“ wird. Dann ändertE er das in „kreativer“ um, dann wieder zurück
Soll er doch. Er kann uns mal“, hatte Welt-Chefredakteur Ulf Poschardt kämpferisch über seinen Kommentar zum Trump-Interview der Bild-Zeitung geschrieben. Im Text lobte er die Globalisierung, die Deutschland so viel Gutes bringe, mahnte Weltoffenheit, aber auch wirtschaftliche Reformen an.
Das Ganze mündete in einem Aufruf, den Poschardt über die sozialen Netzwerke der Welt verbreitete: „Unser Ehrgeiz sollte geweckt sein. Die Verteilung globalen Wohlstands wird von den USA künftig aggressiv zu ihren Gunsten entschieden werden – wenn wir uns nicht wehren und besser, mutiger, fleißiger, innovativer, freier, offener, schwuler, multikultureller werden.“
Es folgte: ein Shitstorm. Oder mehrere, und zwar von links und rechts. Die einen fanden Poschardts Neoliberalismus und seinen Aufruf zu einer ambitionierten globalen deutschen Politik unmöglich. Die anderen stießen sich am Thema Weltoffenheit, besonders an den Wörtern „schwuler“ und „multikultureller“. Via Twitter maulte Poschardt daraufhin: „wenn man wegen ‚schwul‘ & ‚multikulturell‘ die toitschen an der backe hat und wegen ‚neoliberal‘ die linke: es ist die selbe humorlosigkeit“.
Humorlos war er dann selbst, knickte vor dem Furor der „Toitschen“ ein und löschte klammheimlich das eine beanstandete Wort. Statt „schwuler“ schrieb er einfach „kreativer“.
Auf den Schritt vowärts – gelebte Homosexualität gehört auch bei Springer zum Ausdruck einer offenen, fortschrittlichen Gesellschaft, yeah! – folgte ein Schritt zurück, vielleicht sogar zwei. Poschardt und die Welt knickten vor dem Shitstorm der Homohasser ein, ersetzten es durch ein Klischee: Alle Schwulen sind kreativ, klaro. Wenigstens „vielfältig“ hätte man schreiben können, monierte das Onlineportal Queer.de zu Recht.
Und siehe da: Poschardt und Welt zeigten sich kritikfähig. Einen Tag später fügten sie das „schwuler“ wieder ein, schrieben sogar ein „lesbischer“ hinzu. Wow! Und umso besser: Das „multikultureller“ stand nie infrage. Malte Göbel
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