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Sicherheit durch Überwachung

Senatsklausur Die Koalition ist beim Thema Videoüberwachung nach wie vor gespalten

Für Streit dürfte weiterhin auch das Thema ­Abschiebehaft sorgen

Im Koalitionsvertrag wird das Thema Videoüberwachung mit keinem Wort erwähnt, seit dem Anschlag am Breitscheidplatz bestimmt es die politische Debatte in Berlin. Kurz vor der ersten Klausursitzung des neuen Senats am heutigen Montag gehen die Meinungen zwischen den Regierungsparteien dabei weiterhin sehr stark auseinander.

Während der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) in einem Interview mit dem Tagesspiegel am Sonntag „Verhandlungsspielraum“ sieht und als Kompromiss ein auf wenige Orte begrenztes Projekt vorschlägt, lehnen vor allem Linke, aber auch Grüne eine Ausweitung der Videoüberwachung weiterhin ab.

Videoüberwachung als „unterstützendes Instrument“ an „ausgewählten kriminalitätsbelasteten Orten“ einzusetzen, schlägt auch das am Freitag veröffentlichte Sicherheitspapier des Innensenators Andreas Geisel (SPD) vor, der dafür das Allgemeine Sicherheits- und Ordnungsgesetz (ASOG) entsprechend erweitern lassen will.

Bisher ist eine dauerhafte Überwachung durch Kameras ohne konkreten Anlass rechtlich nur an Denkmälern, Friedhöfen oder anderen als gefährdet eingestuften Objekten sowie zur Eigensicherung von Polizeibeamten erlaubt.

Kritik kommt von den Koalitionspartnern: Die Linken-Fraktionsvorsitzende Carola Bluhm betonte am Wochenende, statt Videoüberwachung brauche es personelle Verstärkung bei der Berliner Polizei, die derzeit rund 1.000 offene Stellen verzeichnet. „Eine Notwendigkeit für die Ausweitung sehen wir nicht“, sagt auch Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne). Lediglich bei Großereignissen mit einer besonderen Sicherheitslage sei aus seiner Sicht mehr Videoüberwachung vorstellbar.

Eine solche anlassbezogene und temporäre Überwachung, die Geisel ebenfalls vorschlägt, gibt die aktuelle Rechtslage bereits her. Auch die Parteispitze der Grünen ist weiterhin gegen eine Ausweitung der Videoüberwachung: Diese sei „rechtsstaatlich falsch und sicherheitstechnisch kontraproduktiv“, schreiben die Landesvorsitzenden Nina Stahr und Werner Graf auf Facebook.

Auf seiner Klausurtagung will der Senat ein neues Sicherheitspaket beschließen. Neben der Ausweitung der Videoüberwachung macht die Vorlage des Innensenators unter anderem Vorschläge im präventiven Bereich, etwa zur besseren Integration jugendlicher Geflüchteter. Außerdem will Geisel, ähnlich wie es bereits im Koalitionsvertrag festgehalten wurde, die Polizeipräsenz durch die Einrichtung fünf weiterer mobiler Wachen in der Stadt sowie einer sogenannten Kombiwache mit Bundespolizei und Ordnungsamt am Alexanderplatz erhöhen.

Der rechtlich mögliche Zeitraum von bis zu 18 Monaten Abschiebehaft müsse „im Interesse der Sicherheit konsequent genutzt“ werden, insbesondere dann, wenn Ausreisepflichtige ihre Abschiebung selbst verhindern, heißt es in dem Papier.

Weiterhin müsse eine Änderung des Aufenthaltsgesetz geprüft werden, um künftig schon dann Abschiebehaft zu verhängen, wenn eine Abschiebung nicht binnen drei Monate durchgeführt werden kann.

„Die Koalition hält Abschiebehaft und Abschiebegewahrsam grundsätzlich für unangemessene Maßnahmen“, hieß es hingegen im Koalitionsvertrag. Malene Gürgen

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