Eine Rüge für Raed Saleh

Rot-Rot-Grün Nicht nur die Linke kämpft mit sich, sondern auch die Berliner SPD. Sechs Kreischefs kritisieren den Fraktionsvorsitzenden

Gestörtes Verhältnis? Müller (l.) und Saleh Foto: Wolfgang Borrs

von Uwe Rada

Das hatte sich Raed Saleh wahrscheinlich anders vorgestellt. Nach seiner Rede im Abgeordnetenhaus am vergangenen Donnerstag, bei der er den Kompromiss zur Sicherheit der rot-rot-grünen Koalition in Bausch und Bogen verdammt hatte, haben sich nun sechs SPD-Kreischefs zu Wort gemeldet. In einem Brief an den SPD-Fraktionsvorsitzenden, der der taz vorliegt, nehmen sie kein Blatt vor den Mund. „Du hast dich in der Wortwahl vergriffen“, heißt es. Mit der Rede am 12. Januar sei er der SPD „in den Rücken gefallen“.

Wie berichtet hatte Saleh in seiner Rede eine „zeitgemäße Videoüberwachung“ sowie die sofortige Abschiebung von Gefährdern gefordert. Radikale Gruppen dürften in der Stadt nicht unbehelligt bleiben, so der 39-Jährige: „Wir müssen diese Brutzellen des Terrors verbieten, und zwar besser heute als morgen.“ Dabei hatte sich Rot-Rot-Grün nur wenige Tage zuvor auf einer Senatsklausur darauf verständigt, die Polizei besser auszustatten und eine Videoüberwachung auch an Orten wie dem Kottbusser Tor zu ermöglichen, wenn sie temporär bleibe und anlassbezogen sei. In dem Brief an Saleh heißt es nun: „Du warst dabei. Du hast dem nicht widersprochen. Du hast nicht angekündigt, dass Du Dich hiervon distanzieren würdest.“

Noch am Donnerstagabend hatte Salehs neuer Sprecher Markus Frenzel mitteilen lassen, dass „ganz sicher 80 Prozent“ der SPD-Abgeordneten hinter ihrem Fraktionschef stünden. Dass nun die Vorsitzenden der SPD-Kreise Charlottenburg-Wilmersdorf, Friedrichshain-Kreuz­berg, Lichtenberg, Mitte, Tempelhof-Schöneberg und Treptow-Köpenick Saleh öffentlich zur Rede stellen, ist nicht nur ein Novum. Es zeichnet auch ein anderes Bild. Bemerkenswert ist nämlich, dass die Vorsitzenden der drei größten Kreise unterzeichnet haben. Mit Mitte ist zudem ein Kreis vertreten, der dem ehemaligen Landeschef Jan Stöß nahesteht. Gut möglich also, dass sich Saleh mit seiner Rede, von der es im Senat heißt, er habe eine „rote Linie überschritten“, selbst ein Bein gestellt hat.

Klausur in Erfurt

Mit dem Brief ist die Sache für Saleh allerdings noch nicht ausgestanden. Auch bei der Sitzung des SPD-Landesvorstands am Montagabend kam das Verhalten des Fraktionschefs auf die Tagesordnung. Ergebnisse waren bis Redaktionsschluss noch nicht bekannt. Am Freitag bricht die SPD-Fraktion zu ihrer turnusmäßigen Klausur auf, diesmal ins rot-rot-grün regierte Erfurt. Ein Termin, bei dem der Parteikritiker, der gerne die Sprache der kleinen Leute sprechen will, Vertrauen zurückgewinnen kann – oder die Gräben weiter vertiefen.

Auch bei Linken und Grünen verfolgt man das Thema Saleh mit großem Interesse. Bei einem Treffen der Fraktionsvorstände der rot-rot-grünen Koalition am Montagmorgen wurde Salehs Attacke auf R2G thematisiert. Aller­dings haben alle Beteiligten Stillschweigen über den Verlauf der mehr als zweistündigen Unterredung vereinbart.

Auf Augenhöhe

„Du hast dich in der Wortwahl vergriffen“

Sechs SPD-Kreischefs in einem Brief an den SPD-Fraktionsvorsitzenden Raed Saleh

Im Anschluss an die Sitzung erklärten die Linken-Fraktionsvorsitzenden Carola Bluhm und Udo Wolf sowie Landeschefin Katina Schubert, dass die ko­ali­tionsinternen Probleme mit dem Rücktritt von Andrej Holm noch nicht vom Tisch seien. „Wir werden jetzt mit unseren Koalitionspartnern beraten müssen, ob und, wenn ja, wie wir zu einer Arbeitsweise kommen, die auf den Prinzipien von Augenhöhe und Gleichberechtigung beruht.“ Man habe sich deshalb zusammen mit SPD und Grünen darauf verständigt, „zeitnah einen Koalitionsausschuss vorzuschlagen“.

Dass es bei diesem nächsten Krisentreffen von R2G nicht nur um die Personalie Holm und dessen möglichen Nachfolger geht, sondern auch um Raed Saleh, ist zu vermuten. Bereits am Donnerstag kommen die erweiterten Fraktionsvorstände zusammen, um über die Zukunft von Rot-Rot-Grün zu beraten.

Holm bleibt Ratgeber

Für Montagabend hat der zurückgetretene Baustaatssekretär Andrej Holm zu einem Treffen mit stadtpolitischen Initiativen eingeladen, bei dem auch Bausenatorin Katrin Lompscher (Linke) dabei sein wird. In einer Pressemitteilung versicherte Lompscher den Berliner Mieterinnen und Mietern sowie den stadtpolitischen Initiativen, „dass ich auch weiterhin für eine soziale Wohnungs- und Mietenpolitik stehe“. Holm bleibe dafür „ein wichtiger Impuls- und Ratgeber“.