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Fleischsteuer in die Tonne

ERNÄHRUNG Das Umweltbundesamt will tierische Nahrungsmittel verteuern – der Protest folgt umgehend. Doch es gibt noch mehr klimaschädliche Subventionen

Was immer daraus wird – Verbraucher zahlen den ermäßigten Mehrwertsteuersatz Foto: Arno Burgi/dpa

Von Hannes Koch

BERLIN taz | Auf breite Ablehnung stößt das Umweltbundesamt mit seiner Forderung, die Mehrwertsteuer unter anderem für Fleisch und Milch anzuheben. „Tierische Nahrungsmittel sollten künftig mit den regulären 19 Prozent besteuert werden“, schlug UBA-Präsidentin Maria Krautzberger vor. Damit provozierte sie eine harsche Replik von Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD): „Das sind die Vorschläge des UBA, nicht die des Umweltministeriums.“

Die ermäßigte Mehrwertsteuer auf die meisten Lebensmittel des alltäglichen Bedarfs beträgt heute 7 Prozent. Dadurch sollen Bürger mit geringen Einkommen unterstützt werden. Ihre Lebenshaltungskosten sind niedriger, als wenn sie für Grundnahrungsmittel den regulären Steuersatz von 19 Prozent zahlen müssten. Dieser gilt für den Kauf vieler anderer Konsumgüter. Ihre Forderung, tierische Nahrungsmittel zu verteuern, begründet Krautzberger mit dem Klimaschutz. „Tierische Produkte sind deutlich klimaschädlicher als Getreide, Obst oder Gemüse“, erklärte das UBA am Donnerstag.

Die Positionierung des UBA beruht auf dem neuen Bericht über „Umweltschädliche Subventionen in Deutschland“, der turnusgemäß alle zwei Jahre herauskommt. Darin hat die Behörde jetzt erstmals die Mehrwertsteuer-Begünstigung für bestimmte Lebensmittel aufgegriffen. Durch den niedrigeren Mehrwertsteuersatz für Fleisch, Milch und andere tierische Produkte gingen dem Staat, letztlich allen Bürgern, 5,2 Milliarden Euro pro Jahr verloren.

Krautzberger plädierte dafür, dieses Geld anders einzusetzen. „So könnte man zum Beispiel Obst und Gemüse oder öffentliche Verkehrsmittel billiger machen.“ Ministerin Hendricks sagte dagegen: „Von einigen Einzelmaßnahmen“ im Bericht „halte ich nichts“. Auch Hendricks verlangte allerdings, dass „wir unser Finanzsystem auf seine Klimaverträglichkeit überprüfen“. Im Klimaschutzplan 2050, den die Bundesregierung kürzlich beschloss, stehen aber nur unverbindliche Formulierungen, keine konkreten Maßnahmen.

„Tierische Produkte sind deutlich klimaschädlicher“

Umweltbundesamt

Auch die Grünen sprechen sich gegen Krautzbergers Vorschlag aus. „Die Mehrwertsteuer ist nicht das richtige Instrument, um Klimapolitik zu machen“, sagte deren steuerpolitische Sprecherin Lisa Paus. Ablehnung kommt auch von Linken, FDP, Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) und diversen Wirtschaftsverbänden. Die Umweltorganisation Greenpeace unterstützte Krautzberger jedoch.

Insgesamt beziffert das UBA die umweltschädlichen Subventionen auf 57 Milliarden Euro pro Jahr. Zum Vergleich: Die kompletten Steuereinnahmen betrugen 2016 rund 700 Milliarden Euro. Die meisten Steuerbegünstigungen für unökologisches Verhalten gibt es laut UBA mit 28,6 Milliarden Euro im Verkehrssektor. Etwa den niedrigeren Steuersatz für Diesel im Vergleich zu Benzin oder die Steuerbefreiung für Flugtreibstoff.

Im Bundestagswahlkampf 2017 könnte das Thema eine Rolle spielen. Die Grünen verlangen grundsätzlich, dass „Preise zunehmend die ökologische Wahrheit sagen“. Paus: „Wir plädieren dafür, den Ausstoß von klimaschädlichem Kohlendioxid an anderer Stelle stärker zu besteuern, beispielsweise durch die Anhebung des niedrigen Steuersatzes von Diesel-Treibstoff.“ Wie weit Linke und SPD in einer rot-rot-grünen Koalition dabei mitgehen würden, ist ungeklärt.

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