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René Hamann über WLan bei der Deutschen BahnReicht für einen halben Film

Es ist so weit, die Deutsche Bahn schafft die Zweiklassengesellschaft ab! Es gibt jetzt freien Zugang zum Internet für alle Reisende! Jedenfalls im ICE. Das ist, sagen wir mal, die gute Seite der Nachricht, die pünktlich zum Jahreswechsel auf die Strecke gesetzt wird. Und ab wann gilt das? Seit dem 1. Januar. Unverzüglich.

Die schlechte Seite der Nachricht gibt es aber natürlich auch. Wir haben es schließlich mit der Bahn zu tun. Skepsis ist allein deswegen angebracht, weil kaum vorstellbar ist, dass das versprochene WLAN wirklich auf allen Strecken funktioniert. Zwar meldet die Bahn, dass das Steuerungssystem nicht länger an der Telekom hängt, was früher garantiert für breite Funklöcher sorgte. Stattdessen greift sie auf die jeweils schnellsten Netze mehrerer Anbieter zu – dennoch bleiben Lücken, nämlich auf 15 Prozent der Strecken.

Zweiter Punkt: Das Datenvolumen wird im Gegensatz zur 1. Klasse für die 2. Klasse begrenzt. Nach 200 MB pro Tag wird gedrosselt – für eine Fahrt von Hannover nach Duisburg reicht das vielleicht für einen halben Film. Statt sich also die Science-Fiction-Produktion „Arrival“ anzusehen, sollte man besser auf die kürzeren Folgen amerikanischer Serien zurückgreifen. Aber Achtung: Binge Watching (also das Marathon-Gucken von Serien) wird kaum möglich sein, jedenfalls nicht über die konventionelle Verbindung des ICE. Dafür sind auch weiterhin Surfsticks angesagt.

Zudem könnte das WLAN schnell überlastet sein und das hübsche Buffering-Zeichen erscheinen, sobald alle Fahrgäste gleichzeitig im und am Netz hängen. In dieser ewigen Warteschleife hilft dann nur noch das gute alte Buch. Überhaupt bedeutet „Ich bin mit dem Zug unterwegs“ allzu oft: „Ich bin vorübergehend nicht erreichbar.“ Dabei ist der ICE eigentlich Trendsetter, denn dort breiten sich die Kulturtechniken der Gegenwart besonders rasch aus: Daddeln, Chatten, Streamen. Die Deutsche Bahn macht es möglich. Na ja, so halb.

Wirtschaft + Umwelt

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