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Über Rassismus redenExpertin für Schleim

Unsere Autorin erkennt Diskriminierung, auch wenn andere Menschen diese nicht sehen. Und sie sorgt für Harmonie – meistens.

Achtung! Achtung! Grüngelber Schleim auf 12 Uhr gesichtet Foto: http://xuehka.blogspot.de/

Ich habe zwei Superkräfte. Die eine ist: Ich sehe Dinge, die nicht jede*r sehen kann. Die zweite ist: Ich zaubere Harmonie. Das klingt fatal nach Eso-Kitsch und außerdem nach Angeberei, aber es geht um ein ganz anderes Thema: Es geht um Rassismus.

Merken Sie, wie Ihnen schon ganz anders wird? Das Wort steht im Raum und es soll weg. Man will es nicht hören, außer in auserwählten Kontexten. Wenn die Feiertage anstehen und Dokus über Hitler laufen, zum Beispiel. Wenn man „American History X“ beim DVD Abend vorschlägt. Dann. Aber bitte nicht so, also, so ganz selbstverständlich, im Alltag.

Meine erste Superkraft, das Sehen von Dingen, ist ganz spannend. Ich treffe viele Menschen, die meisten von ihnen sind weiße Deutsche. Manchmal sagen sie Dinge, die mich verletzen.

Sie sagen: „Du tanzt so gut, liegt dir das im Blut?“. Sie sagen: „Iraner*innen sind alle so klug“, sie sagen: „Wieso konnten sich deine Eltern so gut integrieren und wieso schaffen das andere nicht?“, sie fragen: „Sind Sie Muslimin?“, und es klingt, als würden sie damit eine Krankheit meinen.

Shida Bazyar ist Schriftstellerin. 2016 erschien ihr Roman „Nachts ist es leise in Teheran“

Puh, also ich rede gern mit Menschen und ich liebe es zu plaudern. Aber das sind alles Fragen, bei denen ich verschiedene Dinge sehe, die nicht alle Menschen sehen können.

Erstens: Ich werde diese Dinge gefragt. Mein weißer deutscher Freund nicht.

Zweitens: Ich werde diese Dinge nicht nur einmal im Leben, sondern ständig gefragt. Es gibt sozusagen eine Struktur. Drittens: Ich werde bei diesen Dingen nicht als ich, als Shida, angesprochen, sondern ich werde immer gleich als ein ganzes Kollektiv gelesen (ich kann nämlich ehrlich gesagt gar nicht besonders gut tanzen; ich halte manche Iraner*innen, Ahmadinedschad zum Beispiel, für außergewöhnlich doof; ich wüsste nicht, was meine Eltern mit „den anderen“ verbindet, für die ich sprechen soll; und ich habe ungefähr so viele Attribute des Islams an mir wie Attribute eines Heavy-Metal-Fans: nämlich gar keine. Und weder der Islam noch Metallica verdienen den abwertenden Tonfall.).

Es sollte Weltmeisterschaften darin geben, wie oft wir mitten im Bildungsbürgertum sitzen und wortlos Verletzungen hinnehmen, weil wir niemandem auf den Schlips treten möchten

Ich stehe Menschen, die diese Dinge in der Form fragen, gegenüber und ich sehe: Rassismus.

Arrrr, schon wieder dieses Wort. Legen Sie die Zeitung nicht weg, nur, weil Sie auch schon mal eine solche Frage gestellt haben. Die Menschen, die so etwas fragen, sind meistens nämlich außergewöhnlich nett. Es geht aber nicht um nett oder nicht, es geht um meine Superkraft. Ich sehe etwas. Etwas, was mich mein Leben lang begleitet, etwas, was einer gängigen Struktur folgt, etwas, was nicht aus Zufall mir und meinen nichtweißen Freund*innen begegnet und den anderen nicht.

Stellen wir uns vor, es ginge nicht um Rassismus, sondern um grüngelben Schleim. Stellen wir uns vor, dass manche Menschen grüngelben Schleim aus den Ohren sprühen, ohne es zu merken. Und dass dieser Schleim giftig für einen kleinen Teil der Menschheit ist.

Die meisten Menschen denken: „Schleim? War da Schleim? Ich glaub nicht, ich seh ihn nicht.“ Wie auch? Die Augen schauen nach vorn, der Schleim kam links und rechts aus dem Kopf raus. Der kleine, betroffene Teil dagegen weiß ganz genau: „Das ist Schleim. Das ist Gift für mich. Ich will das nicht!“ Alle schauen sich fragend um. Nichts zu sehen. Der kleine Teil der Menschheit muss sich wohl geirrt haben.

Bei so etwas irrt man sich als Betroffene*r aber nicht. Ganz sicher nicht. Denn es wäre ja viel schöner, wenn man so etwas nicht sagen müsste. Niemand möchte gern zur nörgelnden Minderheit gehören.

Wir zaubern Harmonie

Deswegen wohl habe ich meine zweite Superkraft. Und ich habe beobachtet, dass meine nicht weißen Freund*innen sie auch ganz wunderbar beherrschen. Wir zaubern Harmonie. Wir stehen da. Wir wurden verletzt. Der grüngelbe Schleim liegt in der Luft, und er erinnert uns an die Gefahr. Die wir kennen. Die wir sehen. Nur wir. Und wir haben die Wahl: Vermiesen wir allen die Stimmung?

Was macht man, wenn man als einzige*r etwas sieht und die große Verantwortung hat, es sichtbar zu machen – oder eben nicht? Was machen Sie, wenn Ihr*e Chef*in einen Popel in der Nase hängen hat?

Es ist ein Zepterlauf an Verantwortung, der in Gang gesetzt werden kann. Die betroffenen Personen haben die große Verantwortung darüber, was passiert. Nehmen wir an, ich nutze meine Superkraft Nummer zwei nicht und spreche das Thema an.

Ich sage: „Sorry, äh, aber das gerade, das war grüngelber Schleim, und der ist wirklich gefährlich für mich, könnten Sie das bitte nicht mehr machen?“ Dann ist das Zepter der Verantwortung plötzlich, ungeahnt, aus heiterem Himmel, in den Händen der Schleimspritzer*innen.

Das ist schon ärgerlich. Da wollten die gar nichts Böses, und plötzlich haben sie so ein Zepter an Verantwortung in der Hand. Sie haben es sich gar nicht ausgesucht. Aber sie müssen reagieren. Die Reaktion ist oft so: Das Zepter wird fallen gelassen. Es fällt mir auf den Fuß. Es kommt noch mehr Schleim. Das schöne Gespräch ist dahin. Es bedarf sehr viel Geduld, von beiden Seiten, die Situation dahingehend zu bringen, dass alle sich verstanden fühlen. Dass klar ist: „Ich wollte gar keinen Schleim spritzen.“ Dass klar ist: „Ich weiß. Aber er hat mich trotzdem getroffen.“

„Ich wurde verletzt“

Aber dahin kommt man meist gar nicht erst. Denn oft genug verzettelt man sich in Diskussionen allgemeiner Art. Wenn mich Superkraft Nummer zwei verlässt, dann mache ich aus „Ich wurde verletzt“ lieber: „Das war rassistisch.“

Beides ist die Wahrheit, aus meiner Sicht. Und statt des „Ich habe jemanden verletzt“ hört mein Gegenüber nur „Rassismus“ und macht die Schotten dicht. Und beginnt allgemeine Diskussionen über die Definition von Rassismus. Und niemand kümmert sich mehr um meine Verletzung. Dass diejenigen, die den Schleim spritzen, sich allzu oft als Expert*innen für Schleimspritzerei fühlen, ist Teil des Problems.

Es wäre viel schöner, wenn die Superkraft Nummer eins, das Sehenkönnen, als Superkraft anerkannt werden würde. Von offizieller Seite. Als Kompetenz. Deutschland wäre voller Expert*innen für Schleim. Deutschland könnte seine Probleme mit diesen Expert*innen sehr viel schneller lösen.

Nicht umsonst hatten bei der Aufklärung um die NSU-Morde viele Angehörige der Opfer schon früh eine Idee darüber, was der Grund für die Ermordungen war. Nicht umsonst war der einzige Bundestagsabgeordnete, der hierzu bereits 2007 eine Anfrage an die Bundesregierung stellte, türkischer Herkunft. Betroffene erkennen Schleim, wenn sie ihn sehen.

Leider fürchte ich, dass Deutschland aus den Betroffenen vorrangig die Expert*innen für Harmonie gemacht hat. Es sollte Weltmeisterschaften darin geben, wie oft wir mitten im Bildungsbürgertum sitzen und wortlos Verletzungen hinnehmen, weil wir niemandem auf den Schlips treten möchten.

Schleimexpert*innen

Die meisten Menschen hören es nämlich gar nicht mal so gern, wenn jemand (ich gerade, zum Beispiel) von seinen Superkräften erzählt. So etwas spricht man anderen nicht gern zu. Dabei brauchen wir die Schleimexpert*innen aus den verschiedenen (und sich verschränkenden) Diskriminierungsformen dringend. Ich brauche die Menschen, die mir subtilen Alltagsantisemitismus erklären.

Über Rassismus reden

Die Debatte: Die Linke debattiert darüber, wie sich eine inklusive und gleichberechtigte Gesellschaft erreichen lässt. Es herrscht dabei große Uneinigkeit über die Strategien antirassistischer Arbeit. Wer hat welche Deutungshoheit, wer hat wie viel Macht? Und wer ist bereit zu teilen?

Die Reihe: In einer wöchentlichen Reihe beleuchtet die taz die Aspekte der Debatte. Alle Beiträge unter www.taz.de/ueberrassismusreden.

Denn wie sollte ich ihn erkennen, wenn er sich so subtil kleidet und mich persönlich dabei gar nicht trifft? Ich bin auf die Leute angewiesen, die sich der Harmonie verweigern und mir die Strukturen dahinter erklären. Damit ich aufhöre, sie zu verletzen und eine von den Personen werde, die ich in meinem Umfeld so schätze: Verbündete. Sind vom Schleim selbst nicht betroffen, sind aber trotzdem für mich da, wenn er mich trifft.

Es bedarf Vertrauen in das eigene Gegenüber, es auf die ausgeübte Diskriminierung anzusprechen. Wir könnten aufhören, Menschen zu widersprechen, wenn sie es tun. Wir könnten anfangen, es als einen Vertrauensbeweis zu sehen. Wenn ihnen Verständnis wichtiger ist als die Harmonie im Raum.

Das ist ein Kraftakt. Denn Betroffene können sich die Auseinandersetzung mit Diskriminierung nicht für die Feiertage oder für DVD-Abende aufheben. Sie möchten die Verantwortung über das Zepter genauso wenig haben wie die, an die sie es weiterreichen.

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32 Kommentare

 / 
  • Langtext hin oder her - ;))

     

    Dreht das Fernrohr um - & Nimmt -

    Die Pinzette - & damit den Schleim &

    Bugsiert ihn in … - erkannt¿ - genau!

    Die Streichholzschachtel!

    's Mowgli halt! -;)

    Danke.

    • 5G
      571 (Profil gelöscht)
      @Lowandorder:

      Jaja, so hammer einst Krokodile gefangen, aber trotzdem:

      Mowglis Langgedanken tun mir meistens wohl, (sofern ich sie lese).

      Bin eher ein Freund des Kurz_und_prägnant_auf_den_Punkt_kommens, Dichtung i. d. R. ausgenommen.

      • @571 (Profil gelöscht):

        Fein - daß selbst Sie - a professione - das Krokodil erkannt haben - but -

         

        Naja - wie das Schöpfen mit löchrigem Gerät (remember?) schwierig - hat's Mowgli mit Pinzette halt was länger gebraucht - den Schleim in die Streichholzschachtel zu bugsieren -Aber erfolgreich - gell!)

         

        (ps das a.E. - mit "Dichter in den Ruhestand" - hab ich getzt nicht verstanden!;)

        Ha noi. Einer muß doch unsere Versorgung sichern - gell!

        • 5G
          571 (Profil gelöscht)
          @Lowandorder:

          "(ps das a.E. - mit "Dichter in den Ruhestand" - hab ich getzt nicht verstanden!;)

          Ha noi. Einer muß doch unsere Versorgung sichern - gell!"

           

          Meinetwegen - Scherzbold!

    • @Lowandorder:

      & zum Dank - dies kleine Angebinde;)

       

      Verstärkt in einem meiner vorigen Leben - wurde ich gern so angeöttelt:

      "Was? Du? Wie geht das? Nee nee!

      Das könnt ich - nie!" etc

       

      Alles dess gern genomme für inne -

      Umleitung - "Ah - Dichter! So so.

      Kann man denn davon leben?"

      kurz - Harry Rowohlt hat so recht -

      "Viele schöne Dinge beruhen auf -

      Hörfehlern!" Wie schön.

      Volles Rohr.

  • 8G
    80576 (Profil gelöscht)

    Es gibt für dieses beschwerliche Problem zwei alternative Lösungsansätze: 1. Man hänge sich einen Positivkatalog erlaubter Fragen um den Hals. 2. Niemand rede mit irgendwem über irgendwen.

    • 5G
      571 (Profil gelöscht)
      @80576 (Profil gelöscht):

      "2. Niemand rede mit irgendwem über irgendwen." - gilt meistens.

      Das beschwerliche Problem könnte die Autorin schon im Dialog erleichtern, indem sie ihre Sichtweise darstellt und damit den Gesprächspartner für ihre schlechten Gefühle sensibilisiert.

      Nach ersten Erfolgen hiermit könnte sie sich auch das rein individuelle Müllabladen auf taz.de ersparen.

  • Wenn die Autorin vorwiegend nur von "weißen" Menschen diese Fragen gestellt bekommt, liegt es vielleicht an ihrem vorwiegend "weißen" Umfeld. Ich kann Ihnen aus persönlicher Erfahrung versichern, dass "nichtweiße" MigrantInnen keineswegs weniger Schubladen.

    • @rero:

      Am Ende fehlte leider das Wort "haben". :-)

      • @rero:

        Passt scho! Zumal die meisten hier sowieso nie bis zum Ende lesen.

        • @Rainer B.:

          Rainer, am Ende fehlt das Wort "lesen".

          • @Hanksson:

            Sag ich doch. Mit Brille wär das auch passiert.

  • (1) "Weil er ja "weiß" und Deutscher ist und deshalb als Kollektiv angesehen werden darf, dem Tanzen unmöglich im Blut liegen kann, oder die Klugheit oder die (nicht vorhandene) Integrationsfähigkeit oder ein bestimmter Glaube… - was auch immer."

    Das geht doch an dem, um das es im Artikel geht, vorbei. Dass jemandem etwas (bspw. Tanzen) "im Blut liegt" ist auf die Einzelperson bezogen als Redewendung erstmal unproblematisch und wird so ja auch bei Deutschen verwendet. Manchmal ist da aber tatsächlich so ein unausgesprochenes "weil du ja [hier beliebige Nationalität einfügen] bist" mit dabei.

     

    Und selbst ich mit dem Empathievermögen eines Sacks Kartoffeln kriege mit, wann so etwas einfach nur als neutrales Kompliment gemeint ist und wann es aus dem Mund von Gerhard Polt in "Man spricht deutsch" stammen könnte.

     

    Und wenn es - wie hier im Artikel genannt - nicht als Aussage, sondern als Frage formuliert ist, ist ja wohl unzweifelhaft, was gemeint ist.

     

    Und auch wenn es wohl (vermeint) nett gemeint ist, "Iraner*innen sind alle so klug" unterscheidet sich nicht wirklich von "Ostfries*innen sind alle so dumm".

     

    Das Problem sind ja weniger Fragen grundsätzlich, sondern dass gänzlich andere Fragen gestellt werden als dem mitteleuropäischen Phänotypus.

     

    "Ach ja, eins noch: Ich frage mich, wie wir das Fragen jemals richtig lernen sollen, wenn wir es nicht mal üben dürfen - dämliche Fehler eingeschlossen?"

     

    Um "richtig" zu Fragen, muss man es aber auch akzeptieren können, wenn man darauf hingewiesen hat, dass etwas die falsche Frage war. Dass sowas gerne mal in Diskussionen ausartet, hat Frau Bazyar ja bereits beschrieben. Und dass man da irgendwann einfach keine Lust mehr darauf hat, dafür habe ich volles Verständnis. Dass man selbst oder irgendjemand in der Ahnenreihe nicht in Deutschland geboren wurde, verpflichtet m.W.n. nicht zur Erziehungstätigkeit.

    • @sart:

      Ist es aber nicht schade, dass in der Situation, wo jemand mal die Schublade seiner Vorurteile aufmacht, eventuell seine Vorurteile hinterfragen will und das Gespräch sucht, er/sie die Antwort bekommt: "Das ist Rassismus. Ich bin verletzt." Jemanden mitzunehmen zum Nachdenken, erreiche ich nicht über "Name it, blame it, shame it" Vorurteile kann man nur in konstruktiven Gesprächen abbauen. Und zwar in erster Linie mit dem "Objekt" des Vorurteils.

       

      Auch ich nehme aus dem Artikel die Kernbotschaft mit: "Frage nie nach Bildungshürden bei Migrantinnen oder jemanden, der Muslima sein könnte, nach der Religionszugehörigkeit.

  • Ich glaube den Tag werden wir nie erleben, wenn es diese Form von "Rassismus" nicht mehr gibt. Dafür müssten die Menschen perfekt sein und jeden anderen unabhängig von seiner äußeren Erscheinung immer nur als Individuum sehen können. Das ist mir nicht möglich, obwohl ich mich bemühe und das ist unbedarfteren Menschen sicher noch weniger möglich. Es bilden sich einfach Muster, Klischees heraus, die sich auf Gruppen beziehen. Übrigens auch für "Männer" "Weiße" und "Bildungsbürger", die mit anderen Vorurteilen konfrontiert sind, wenn sie sich außerhalb der eigenen Gruppe bewegen (und manchmal sogar innerhalb).

  • 5G
    571 (Profil gelöscht)

    Über Rassismus reden - gerne, wenn Sachlichkeit das Gespäch prägt.

    Bei der Autorin hätte ich diesbezüglich wahrscheinlich ein Problem.

  • Hier passen schon die Überschrift ("Diskriminierung") und der Text ("Rassismus") nicht zusammen.

     

    Wenn die Überschrift von der taz verfasst wurde - nachvollziehbar, dann hat sie einfach das Geschwurbel "ihrer Autorin" nicht bis zu Ende ertragen. Ist sie von der Autorin selbst, reflektiert diese wohl nicht.

    Diskriminierung setzt schon sprachlich eine Benachteiligung voraus - dargestellt wird aber der "positive Rassismus". Natürlich ist ein "Du tanzt so gut, liegt es Dir im Blut" rassistisch, aber eben nicht diskriminierend. Aber hey, werfen wir nur genug Begriffe in einen Topf, so kommt am Ende ganz sicher Schleim dabei raus.

     

    Im Übrigen wandert der Artikel die bekannte Linie zwischen berechtigter Kritik und Weinerlichkeit. Aussagen wie "alle [Nationalität] sind so..." ist viel mehr pauschalisierend und deswegen dumm, weil nicht empirisch haltbar, als rassistisch.

    Im Übrigen scheint es mir ziemlich hybrid in einer Gesellschaft in der 21% der Mitglieder einen Mitgrationshintergrund haben einerseits stets die kulturelle Bereicherung dadurch anzusprechen, es dann aber als Rassismus zu empfinden, wenn man selbst auf sie angesprochen wird.

    • @Hanksson:

      Ich dem Artikel geht es doch hauptsächlich um die Frage, wie wir über Rassismus reden wollen. Auf die Art und Weise wie es bis jetzt passiert ist, geht es definitiv nicht weiter (siehe AfD).

       

      Ich würde auch jede Wette eingehen, dass der Autorin schon andere Dinge passiert sind, die sie hier aber nicht genannt hat.

       

      Ich persönlich habe eine türkische Verlobte und sie hat sich schon ganz andere Sachen anhören dürfen (a la "In Deutschland gibt es Regeln" etc.). Eine meiner besten Freundinnen trägt übrigens ein Kopftuch, was glauben Sie wie feindselig sie von manchen Leuten auf der Straße angeschaut wird?

  • Wissen Sie ich habe alle möglichen gesundheitlichen und privaten Probleme. Ich verdiene nicht furchtbar viel und werde mein Leben dank meiner Behinderung, wenn ich nicht mehr arbeiten kann, in Armut verbringen. Sie sind als Iranerin hierher gezogen, werden scheinbar nach eigener Aussage nett behandelt, haben einen netten Freund, leben in einer wesentlich reicheren und freieren Gesellschaft und haben trotzdem noch über versteckten Rassismus zu schwabulieren. Mir fällt eigentlich nur ein Satz dazu ein:

     

    Ich wünschte ich hätte Ihre Probleme.

    • 5G
      571 (Profil gelöscht)
      @Tomy:

      "Ich wünschte ich hätte Ihre Probleme."

       

      Die Ihrigen haben mit denen der "Iranerin" nichts gemein.

      Mit diesem Satz könnten Sie im Grunde jede Menge Kommentare beenden, auch wenn die in der Sache weit auseinander liegen.

    • @Tomy:

      Und wie selten schaffen es eigentlich Menschen die Probleme anderer anzuerkennen, ohne sie mit ihren eigenen zu vergleichen, damit in Wettstreit zu setzen und am Schluss zum Ergebnis zu kommen: Mir geht es auch schlecht, Ihnen darf nicht geholfen werden, bevor es mir nicht so gut geht wie Ihnen. Kann man nicht einfach akzeptieren, dass einige Mitmenschen von Rassismus betroffen sind, ganz egal wie gut oder schlecht es einem geht? Kann man nicht akzeptieren, dass Versuche, das eine Problem zu lösen, nicht automatisch bedeutet, dass nicht trotzdem versucht wird, das andere, eigene, Problem zu lösen?

    • @Tomy:

      Bitte nehmen Sie mir das nicht krumm, das ich jetzt bewusst provoziere. Aber wollen sie wirklich behaupten, Rassismus sei ein unwichtiges Problem?

       

      Meiner Meinung nach haben wir den Salat mit der AfD auch aus dem Grund, dass wir in Deutschland eben nicht vernuenftig ueber das Thema "Rassismus", Kulturdarwinismus etc. sprechen koennen.

       

      An die Autorin ein riesen Dankeschoen fuer diesen Artikel.

      • 8G
        80576 (Profil gelöscht)
        @Serg:

        Wenn hohle Glatzköpfe Menschen jagen und ihnen Gewalt antun, dann ist das ein Problem.

        Die Beschwerden im Artikel sind Larmoyanzen. Wer wird im Leben nicht oft Dinge gefragt, die dumm oder einfältig sind? Will man dagegen kämpfen? Unbedachte Fragen verbieten, weil sie jemanden eventuell "verletzen" könnten? Ein solcher Kampf ist nicht zu gewinnen, er kostet nur sinnlos Lebenszeit, die man mit schönen Dingen verbringen könnte. Mit Selbstbewußtsein und Resilienz sollte man sich ausstatten und wenig von den Mitmenschen erwarten. Man wird die Welt nicht zwingen können, auf die eigenen Empfindlichkeiten Rücksicht zu nehmen.

  • 3G
    35751 (Profil gelöscht)

    Teil 1: Schöner Text, dessen Intention durch den menschlichen, nicht überintellektualisierten Schreibstil gut rüberkommt.

     

    Ich würde zumindest jenseits des intellektuellen Spektrums jedoch zu mehr Gelassenheit bei unglücklich gewählten Worten und Gesten raten, denn da wo Menschen kein grammatikalisch korrektes Hochdeutsch sprechen, macht man sich über die Bedeutungsnuancen in aller Regel wenig Gedanken.

    Unpolitischen Positivrassismus kann man durchaus auch als plumpes "Ich hab nix gegen dich", interpretieren, Verweise auf iranische Intelligenz als schlecht getimtes Halbwissen (in der Region vergleichsweise gute Bildungsmöglichkeiten) oder Anerkennung der mit Migrationshintergrund tendenziell schwerer zu meisternden Akademikerhürden. Und was das "im Blut haben" angeht, so hat sich die Euphemismustretmühle da mal in die andere Richtung gedreht, denn das wird im Volksmund weitgehend positiv und längst nicht nur auf die Herkunft bezogen genutzt - da kann nämlich auch mal was ins Blut übergehen und muss nicht zwangsläufig vorhanden sein.

    Umkehrt machen sich Akademiker bei der gern in die unbekannte Runde gestellte Frage, was jeder denn arbeitet, auch selten Gedanken darüber, dass es Menschen gibt, die dadurch unangenehm entblößt werden. Und dass gern verspottete Dummheit mitunter nur einen IQ-Punkt von der geistigen Behinderung entfernt liegt, Schwerhörige in Texten regelmäßig auf taube Ohren stoßen und Prolet ein Schimpfwort ist, macht einen kleinen Eindruck davon, wie weit Eingriffe in die Sprache und Verhaltensweisen reichen müssten, um eine allintegrative Norm zu erreichen.

    Da Sprache als Gesamtes durch die unterschiedlichen Entwicklungen innerhalb der Milieus eigenständig wächst, kann Sprachweise schwer von oben nach unten etabliert werden. Zumal es sowohl diesseits als auch jenseits der ethnischen Vielfalt, in Deutschland vermutlich noch nie zuvor so viele Gesellschaftsgruppen gab, die in unzähligen Bereichen um einen gemeinsamen Nenner ringen.

    • 3G
      35751 (Profil gelöscht)
      @35751 (Profil gelöscht):

      Wenn man im bunten Kreuzberg als Deutscher einen anderen Deutschen aufgrund seiner ethnischen Wurzeln in Englisch anspricht und dann die Antwort nicht versteht, weil diese bayrisch ist, zeugt das sicherlich von einem seit 20 Jahren kaum aktualisierten Blick auf die Welt.

      Man kann aber versuchen, dieses typisch Menschsein, mit all seinen loriot'schen Kommunikationsstörungen, als etwas zu betrachten, das verbindet und zugleich als Ausdruck von Vielfalt. Wäre Achmet Achim, gäbe es ihn nicht mehr und sollte die Unterschicht irgendwann die elaborierte Sprache des Bürgertums so gut beherrschen, dass Rapper über den Sexualakt und nicht mehr übers Ficken texten, müssten Bildungsbürger dies fortan übernehmen, um sich auch weiterhin sprachlich und intellektuell abgrenzen zu können.

       

      Zitat: "Ich sehe etwas. Etwas, was mich mein Leben lang begleitet, etwas, [...], was nicht aus Zufall mir und meinen nichtweißen Freund*innen begegnet und den anderen nicht."

       

      Ich denke, dass dies ein Teiltrugschluss ist. Vermutlich machen viele Menschen in ihrem Umfeld und gemäß ihrer Lebenswirklichkeit vergleichbare, weil auf ähnlichen Mechanismen beruhende Erfahrung. Nur leider schaffen es nur wenige, die Rückschlüsse aus diesen Erfahrungen, über den eigenen Tellerrand hinaus auf andere anzuwenden.

      Wenn alle Ausgegrenzten gemeinsam gegen jedwede Ausgrenzung auftreten würden, wäre ja schon viel erreicht.

  • Hä bitte?

    Was ist das denn für ein Geschwurbel?

    Wer sich "AutorIn" nennt, sollte den Unterschied zwischen Schubladendenken (meistens harmlos, oftmals nützlich) und Rassismus (niemals harmlos, immer gefährlich) kennen. Der schleimige Rest des Ergusses macht das Ganze vollends ungenießbar. Papierkorb bitte!

    • @Christine Kiefer:

      Wieder mal hochgejazzte Critical Whiteness Gefühlsduselei ohne politischen Nährwert. Wer kleinkariert genug ist, findet überall Diskriminierungen. Daher will auch niemand über "meine Verletztungen" reden, weil die vieleicht doch diskutabel sind?

  • Wenn jemand Dinge sieht, die andere nicht sehen können, dann kann es sich um eine Störung seiner Psyche handeln.

     

    Nein, es stimmt nicht, dass "niemand […] gern zur nörgelnden Minderheit gehör[t]". Gefühlt gehören sieben von zehn Menschen meines persönlichen Umfelds lieber zur nörgelnden Minderheit als zur Minderheit derer, die im Zweifel Harmonie zu stiften suchen. Vermutlich hat das mit Traditionen zu tun. Vor allem mit der des Patriarchats.

     

    Wer nörgeln darf, ohne dass man ihm den Mund verbietet, hat in der Regel Macht. Scheint ein echt gutes Gefühl zu sein. Eines mit Suchtpotential. Wer Harmonie stiftet, gilt hingegen als Schlappschwanz, wenn nicht als "Kindchen". Man wirft ihm oder ihr Appeacement vor - aus Feigheit, nicht aus Überzeugung. Superkräfte? Sehen anders aus.

     

    Wer zeigt, dass er harmoniebegabt ist, wird permanent verletzt. Immer und immer wieder. So lange, bis er oder sie aufgibt und sich rächt. Scheiß auf die Superkraft! Man hat schließlich nur so lange eine Wahl, wie man auch wählen will. Und wenn Verantwortung zur Strafe wird, dann will sie keiner haben. Nicht einmal Hochbegabte. Die schon gar nicht.

     

    Übrigens: Schade, dass Shida Bazyar zu verletzt ist um mit anderen zu fühlen. Jenem Freund z.B. tut es sicher auch nicht gut, wenn er nie etwas gefragt wird. Nicht mal aus Neugier oder Freundlichkeit. Weil er ja "weiß" und Deutscher ist und deshalb als Kollektiv angesehen werden darf, dem Tanzen unmöglich im Blut liegen kann, oder die Klugheit oder die (nicht vorhandene) Integrationsfähigkeit oder ein bestimmter Glaube… - was auch immer.

     

    Ach ja, eins noch: Ich frage mich, wie wir das Fragen jemals richtig lernen sollen, wenn wir es nicht mal üben dürfen - dämliche Fehler eingeschlossen? Weil immer gleich wer aufspringt und behauptet, dass er unglaublich verletzt ist und außerdem die Superkraft besitzt genau zu wissen, mit welchen Fragen man sämtliche Menschen, die ihm in irgend einem Punkt ähneln, ganz sicher schwer verletzt...

    • @mowgli:

      (2)

      Damals bei der Einführungsveranstaltung an der Uni bei mir war das auch gut zu beobachten. Da unterhält man sich natürlich auch so, wo man herkommt. Bei (vermeintlich) Deutschen war die Frage eher, ob man denn aus der Umgebung komme. Sah aber jemand nicht so aus, als wäre der Urahn schon mit Arminius im Teutoburger Wald gelegen, war die Frage: "Wo genau kommst du denn her?" Inklusive dem unvermeidlich nachgeschobenen "Nein, ich meine ursprünglich.", wenn die unzufriedenstellende Antwort "Wanne-Eickel" o.Ä. war. Wurde dann schließlich doch noch zufriedenstellend mit irgendeinem Ort im Ausland geantwortet, kam sofort das Lob über das gute Deutsch.

    • 5G
      571 (Profil gelöscht)
      @mowgli:

      Wie so oft, eine gute Antwort von Mowgli, aber schon wieder so ein Langtext...

  • Geisterfahren als Superkraft?

     

    Würden Sie es auch als Rassismus wahrnehmen wenn Sie ein nordafrikanischer Flüchtling einiger dieser Dinge fragt oder machen Sie da Unterschiede bei der Herkunft und Hautfarbe der Fragesteller?

     

    Ich habe mehrere Jahre in Asien gelebt. Als offenkundiger Ausländer bin ich dort ständig mit kulturellen Fragen bombardiert worden. Bist du Amerikaner? Wie ist das bei Euch Europäern? Warum sind die Deutschen so pünktlich? Mit einem positiven Menschenbild gehe ich zunächst davon aus, dass die Frage so freundlich interessiert gemeint ist wie sie sich angehört hat, ohne mein Gegenüber zu maßregeln.

     

    „Sind Sie Muslimin?“

     

    Auf den Philippinen hat mich JEDER gefragt, ob ich Katholik bin. Nicht einmal habe ich das auch nur als sanftes kulturelles Vorurteil interpretiert, sondern geduldig erklärt, dass es in Deutschland auch viele Protestanten und Atheisten gibt. Da auf den Philippinen nunmal fast jeder Katholik ist und Religion eine große Rolle spielt hat es die Leute einfach interessiert. Sonst nichts.

     

    Wenn man mit einem Rastertunnelmikroskop sucht, kann man auf ziemlich jeder Oberfläche winzigste Schleimspuren finden. Das heisst noch lange nicht, dass alles dreckig ist.

    • @AJacobson:

      "Da auf den Philippinen nunmal fast jeder Katholik ist und Religion eine große Rolle spielt hat es die Leute einfach interessiert. Sonst nichts."

      M.W.n. spielt in Deutschland Religion aber nicht wirklich eine große Rolle. Außer, man ist Muslim*in.