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heute in Bremen„Es galt als Rinnsteinkunst“

FÜHRUNG In der Kunsthalle werden Max Liebermanns Sport-Gemälde gezeigt und erklärt

Dorothee Hansen

53, promovierte Kunsthistorikerin, ist Kuratorin und Vize-Direktorin der Kunsthalle Bremen.

taz: Dorothee Hansen, warum hat Max Liebermann sich mit Sport beschäftigt?

Dorothee Hansen: Sport war für ihn ein Signal für Modernität. Er war um die Jahrhundertwende über 50 und hat sich neuen Themen zugewendet.

Was war neu am Sport?

Der Sport kam im späten 19. Jh. aus England auf den Kontinent. Liebermann war der erste Künstler, der das auf dem europäischen Festland aufgriff. Kaiser Wilhelm II. und die Oberschicht waren absolut sportbegeistert. Dennoch mochte der Kaiser nicht die Kunst von Liebermann. Der hat sich schließlich von französischen Impressionisten inspirieren lassen – dem Land der Erbfeinde. Liebermanns Werk galt in seiner Kulturpolitik schlicht als Rinnsteinkunst. Sie war zu modern.

Die Ausstellung hat den Untertitel: „Vom Freizeitvergnügen zum modernen Sport“. Welche Reichweite haben seine Werke im Blick auf die Gegenwart?

Heute ist der durchkommerzialisierte Sport allgegenwärtiger Lifestyle. Zu Liebermanns Zeiten wird der Sport mehr und mehr ein Thema für die Breite der Gesellschaft. Zunächst sind Sportarten wie Polo und Tennis in der Oberschicht zu Hause – auch dort ist es Lifestyle, aber eben noch kein Breitenphänomen.

Greift er der späteren Entwicklung vor?

Zu einem Zeitpunkt, wo Liebermann Polospieler in Aktion malt, kann die Fotografie das noch gar nicht. Kurz darauf findet Sport auch in der Mittelschicht Anhänger. Das findet Ausdruck im Aufkommen der Sportpresse und -fotografie. Sportartikelhersteller und Funktionäre beginnen, den Sport zu dem zu machen, was uns heute in der Breite prägt. In der aktuellen Ausstellung haben wir auch Werke jüngerer Künstler wie Willy Jaeckel und Ernst Oppler, die sich ab den 1920er-Jahren mit dem aufkommenden Phänomen des schweißtreibenden Breitensports befassen: etwa dem Boxen.

Wollte Liebermann diese gesellschaftliche Entwicklung und den Sport festhalten?

Nein, er ist kein Illustrator. Er ist nie so detailliert, wie der Sportler sich das wünscht. Es geht ihm um die Kunst. Er konkurriert nicht. Er erzählt keine Geschichten, sondern schildert seine Eindrücke.

interview: gjo

Führung „Max Liebermann – Vom Freizeitvergnügen zum modernen Sport“: 18 Uhr, Kunsthalle

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