: Diagonal durch die Herrenumkleide
BADMINTON Erstaunliche Erlebnisse rund um ein Bundesliga-Spitzenspiel, bei dem der Aufgangein Abgang ist: Der 1. BC Düren gewinnt im Spitzenspiel gegen den BC Bischmisheim mit 4:3
aus Düren Bernd Müllender
Wir wollten mal etwas anderes sehen als immer nur den ewigen Fußball und stießen auf Badminton. Ach, Düren nebenan spielt sogar Bundesliga? Und am Wochenende stand das Spitzenspiel an, 1. BC Düren gegen den amtierenden Meister BC Bischmisheim aus dem Saarland. Punktgleich Zweiter gegen Erster, deshalb ein „Novum und Meilenstein in der Geschichte des 1. BC Düren“, so die Club-Website.
Schon vorher passierte Erstaunliches: Auf Anfrage per Mail, wie man an Karten komme und wie so ein Nachmittag ablaufe, meldete sich binnen Minuten ein Klubsprecher und gab ausführliche Vorabinformationen über Regeln (3 Gewinnsätze bis 11), Organisation (7 Matches, 2 bis 3 Stunden Gesamtdauer) und Drumherum („… wird mit Kuchen und herzhaften Speisen alles getan, damit Sie sich wohlfühlen“). Nein, Kartenvorverkauf gebe es nicht, man solle einfach kommen. „Feinheiten des Spieles werde ich Ihnen gern vor Ort erklären“ – was er dann kurz vor dem Match auch ausführlich tat. „Man stelle sich vor“, staunte einer von uns, „man ruft beim Presssprecher von Bayern München an und fragt: Können Sie mir das mit diesem Abseits vor dem Spiel noch mal erklären …“
Am Metallzaun der Sporthalle des Nelly-Pütz-Berufskollegs locken vier rot-weiße Girlanden plus Transparent „Herzlich Willkommen“. Drinnen weist ein Blatt in Klarsichthülle zum „Aufgang Zuschauer/Spectators“. Der Aufgang ist ein Abgang. Diagonal durch die Herrenumkleide H1 geht es zu einer Treppe nach unten in die Halle. Fast 200 Zuschauer sind gekommen. Fanblock? Ein Trommler, umringt von sechs Leuten mit Rasseln. Hardcorefans tragen rot-weiße Schals: „Glaub nicht an Spuk und böse Geister – der DBC wird Meister“.
Was dann abgeht, hat mit Federball wenig zu tun – außer Schläger und Bälle. Aber so wenig!? Da wird mit grenzgesunden Körperbiegungen gepeitscht, gesmasht, geschmettert und fein in die Ecken dosiert, dass es eine Lust der Dynamik ist. Hin und her, ständig denkt man, den Ball kriegt kein Mensch mehr und dann kommt er zurück. Atemraubend. Man sitzt fast auf Körperkontakt an den grünen Spielfeldern. Das ist intensiv.
In der Bundesliga treten gemischte Teams an: Zwei Herreneinzel und -doppel, ein Dameneinzel und -doppel, ein Mixed-Doppel. Das ist das Finalmatch und gibt ein Gender-Extralob. Einmal bekommt ein Bischmisheimer Spieler wegen Schiribeleidigung („Sind Sie verrückt?“) die rote Karte. Rot heißt aber nur Punktverlust, Aufschlagwechsel – und 250 Euro Verbandsstrafe. Für Platzverweis und Disqualifikation ist die schwarze Karte vorgesehen.
Ein Erstligist wie Düren hat einen fünfstelligen Saisonetat. Das Geld kommt von den Werbebotschaftern an den Hallenwänden: Sparkasse, Stadtwerke, Versicherungsbüro x, Apotheke y, Pizzeria z – alles lokal. Die Spieler sind tatsächlich Profis. Erstaunlich offen nennt Sprecher Stephan Robertz Zahlen: kleines Grundgehalt, 400 bis 600 Euro Siegprämie bei eigenem gewonnenem Spiel. Dürens Nationalspieler Kai Schäfer gewinnt seine beiden Matches. Die Zuschauer haben bei sieben Euro Eintritt (vier reduziert) also seine Prämie finanziert. Fernsehgelder? „Wir kriegen es nicht mal hin, dass Radio Rur über uns berichtet“, klagt der Klubsprecher. „Überall ist nur Fußball, da bekommen sogar Landesligaspiele große Zeitungsartikel.“ Selbst vom Lokalblatt kommt selten wer. Die Texte für den Regionalsport verfertigt Robertz selbst.
Zweieinhalb Stunden heiße Ballwechsel, Düren gewinnt ohne Spuk und Geister 4:3. Dieser knappste aller Siege gibt 2:1 Punkte, bei 5:2 hätte es 2:0 Punkte gegeben. Man umarmte sich kurz, dann mussten die Cracks weiterarbeiten: Werbereiter stapeln und die Netzanlagen abmontieren. Und am Ende wollten sogar mehrere Kinder Autogramme haben.
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