Flüchtlingspolitik im Südsudan: Weit weg von Europa

Der südsudanesische Bürgerkrieg produziert täglich Tausende Flüchtlinge, aber es bleibt ein innerafrikanisches Flüchtlingsdrama mit Millionen Vetriebenen.

Binnenvertriebene an der UN-Basis in der südsudanesischen Hauptstadt Juba Foto: ap

Kein Land Afrikas produziert derzeit mehr neue Flüchtlinge als Südsudan. Anfang Dezember 2016 zählte die humanitäre UN-Koordinationsstelle OCHA erstmals über drei Millionen Binnenvertriebene und Flüchtlinge: 1,87 Millionen im eigenen Land, 1,15 Millionen in Nachbarländern. Täglich retten sich mehrere tausend Menschen über die Grenzen, vor allem nach Uganda.

Allein in Uganda lebten Anfang Dezember 2016 rund 600.000 südsudanesische Flüchtlinge, zwei Drittel davon Kinder; über die Hälfte von ihnen kamen in den Monaten seit Juli 2016. Nach Angaben des UN-Welternährungsprogrammes befanden sich weitere 320.000 in Äthiopien, 250.000 im Sudan, 90.000 in Kenia, 60.000 in der Demokratischen Republik Kongo und 5.000 in der Zentralafrikanischen Republik – das macht zusammen über 1,34 Millionen. Die Diskrepanz in den Zahlen alleine zeigt, wie unübersichtlich die Lage ist.

Hilfswerke haben im laufenden Jahr nur ein Viertel der benötigten Gelder erhalten, um Südsudans Notleidende zu versorgen. Und die UN-Mission im Südsudan, die rund 200.000 Menschen in ihren Basen Zuflucht bietet, ist nicht immer in der Lage, Fliehende vor Angriffen zu schützen. Die Bedingungen in den meisten Lagern gelten als katastrophal.

Das Ausmaß des südsudanesischen Elends ist zugleich ein Garant dafür, dass Südsudans Flüchtlingskrise Europa nicht erreicht. Die Zahl von Südsudanesen, die in Europa Zuflucht suchen, beträgt seit der Unabhängigkeit 2011 bis Juli 2016 gerade einmal 540. Südsudan ist ein Flüchtlingsdrama alten Stils, das sich fern von Europas Grenzen abspielt. Häufiger als die irreguläre Flucht Richtung Europa ist die geordnete Umsiedlung in europäische oder nordamerikanische Länder im Rahmen beispielsweise von US-Resettlement-Programmen.

Bürger ohne Pass

Das liegt auch daran, dass nur eine Minderheit der geschätzt zehn Millionen Einwohner des Landes überhaupt südsudanesische Papiere hat. Alle erwachsenen Südsudanesen wurden als Bürger Sudans geboren: Südsudan als unabhängiger Staat existiert erst seit dem 9. Juli 2011. Und erst 2012 begann die neue Regierung überhaupt, eigene Pässe und Personalausweise auszustellen. Mit dem Kriegsausbruch im Dezember 2013 ist dies größtenteils zum Erliegen gekommen.

Wer keine südsudanesischen Papiere hat, kann sich im Ausland nicht als Südsudanese ausgeben. Viele Südsudanesen im Ausland sind also als Bürger Sudans unterwegs, und selbst das ist ein Privileg. Denn als die Republik Sudan ihren südlichen Landesteil 2011 in die Unabhängigkeit entließ, erkannte sie den Menschen südsudanesischen Ursprungs, die auf dem Restgebiet Sudans lebten und zumeist auch dort aufgewachsen sind, die sudanesische Staatsangehörigkeit ab.

Bis zu 700.000 Menschen mit südsudanesischer Herkunft auf sudanesischem Gebiet erhielten eine Neun-Monats-Frist, um sich entweder wieder einzubürgern, als Ausländer um reguläre Aufenthaltstitel zu bemühen, oder in ihre „Heimat“ zurückzukehren, die viele von ihnen nicht kannten. Südsudan erließ zugleich ein Verbot der doppelten Staatsbürgerschaft mit Sudan für die eigenen Bürger.

Mit Ablauf der Frist am 8. April 2012 waren immer noch mehrere hunderttausend von ihnen staatenlos und damit rechtlos und von Deportation bedroht. Es ist davon auszugehen, dass viele davon sich stattdessen auf den Weg nach Norden gemacht haben – als sudanesische Flüchtlinge, die aber zugleich weder nach Sudan noch nach Südsudan zurückgeführt werden können, weil Sudan sie nicht mehr und Südsudan sie noch nicht als Bürger anerkennt.

Aufgrund der Bürgerkriegssituation im Südsudan ist jede Rückführung von Flüchtlingen dorthin sowieso ausgeschlossen. Entsprechend allgemein ist die europäische Zusammenarbeit mit Südsudan im Rahmen des Khartum-Prozesses. Unterstützung bei Datensammlung und im Kampf gegen Menschenhandel sind die einzigen länderspezifischen Südsudan-Vorhaben im Rahmen des „besseren Migrationsmanagements“.

Paradoxerweise erleichtert die Bürgerkriegssituation langfristig die Registrierung von Südsudanesen. Was die eigene Regierung nicht bewerkstelligte, führen nun das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) und die Internationale Organisation für Migration (IOM) durch: UNHCR dokumentiert die Herkunft von Binnenvertriebenen, die IOM sorgt für ihre biometrische Registrierung. Seit Anlauf des IOM-Projekts im Sommer 2015 wurden auf diese Weise über 405.000 Südsudanesen biometrisch erfasst.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.