: Doppelpass gegen Merkel
Ärger Gegen den Willen der Parteispitze verlangt der CDU-Parteitag die Abschaffung der doppelten Staatsbürgerschaft. Prompt distanziert sich Merkel von dem Beschluss
Aus Essen Christoph Herwartz
Die CDU will weniger Ausnahmen für doppelte Staatsbürgerschaften schaffen. Doch die Vorsitzende Angela Merkel sperrt sich gegen den Beschluss ihrer eigenen Partei. Merkel war am Dienstag mit 89,5 Prozent als Parteivorsitzende wiedergewählt worden. Den Beschluss gegen den Doppelpass fasste die Partei nun gegen ihren Willen, was sich als ein nachträgliches Abstrafen lesen lässt.
Merkel kritisierte den Beschluss nicht auf dem Parteitag. Den beendete sie mit guten Wünschen an die Delegierten und traf sich anschließend mit Journalisten. Dort sagte sie, sie halte den mit 319 zu 300 Stimmen gefassten Beschluss für falsch. Es werde in dieser Legislatur keine Änderungen und auch keinen Wahlkampf zu dem Thema geben. Damit riskiert Merkel, weiteren Unmut an der Basis auszulösen.
Es war der einzige Antrag auf dem Parteitag, bei dem zwei Mitglieder der Bundesregierung gegeneinander argumentierten. Innenminister Thomas de Maizière verteidigte den im Jahr 2014 gefundenen Kompromiss mit der SPD. Daraufhin schwang sich Jens Spahn, Staatssekretär im Finanzministerium mit Ambitionen auf höhere Ämter, zum Sprecher der Basis auf: In Koalitionen brauche man Kompromisse, aber dies sei der Parteitag der CDU, sagte er unter Applaus. Und es gehe darum, „was wir als Partei wollen“.
Der Beschluss lautet nun, dass sich die CDU für eine Rückkehr zur Optionspflicht ausspricht, also für ein Ende der Ausnahmeregelung, nach der Menschen eine doppelte Staatsbürgerschaft haben dürfen, die als Kind von Ausländern in Deutschland aufgewachsen sind. Die Große Koalition hatte sich 2014 darauf geeinigt, dass die Betroffenen auch nach dem 23. Lebensjahr beide Pässe behalten können.
De Maizière stellte klar: Die CDU sei „gegen die doppelte Staatsbürgerschaft als Regelfall“, was auch so bleiben solle. Aber es gebe Ausnahmen. Er wies darauf hin, dass die Kinder von Einwanderern bei Weitem nicht die Einzigen sind, für die es eine solche Ausnahme gibt: Auch EU-Ausländer sowie Japaner und US-Amerikaner dürfen einen deutschen Pass bekommen, ohne ihren anderen Pass abgeben zu müssen. Wenn man ehrlich sei, führe man in Wahrheit eigentlich eine „verkappte Türkei-Diskussion“, sagte der Innenminister.
Die Kinder von Türken habe man früher vor die Wahl gestellt, ihren türkischen Pass zu behalten oder abzugeben. Man habe sie damit dazu gezwungen, sich gegen ihr Elternhaus zu entscheiden, was „schwierige Situationen“ verursacht habe.
Mit heftiger Kritik haben SPD und Grüne auf den Beschluss der CDU reagiert, die doppelte Staatsbürgerschaft einzuschränken. „Das ist ein schlimmer Beschluss“, sagte SPD-Chef Sigmar Gabriel. Merkel könne nicht knapp eine Million Flüchtlinge einladen „und sich dafür bejubeln lassen“, dann aber die hier geborenen Kinder schlecht behandeln.
Justizminister Heiko Maas (SPD) warnte vor einem „riesigen Rückschritt für die Integration“. Er ergänzte: „Die einzige Partei, mit der die CDU die Abschaffung der doppelten Staatsbürgerschaft umsetzen könnte, wäre die AfD.“
Grünen-Chef Cem Özdemir warf der CDU vor, Deutsch-Türken ausgrenzen zu wollen. (dpa, taz)
Spahn erwiderte, diese Entscheidungen könne man den Menschen schon abverlangen. Und man könne auch die Kultur der Eltern und Großeltern pflegen, ohne die entsprechende Staatsbürgerschaft zu haben.
Eingebracht hatte den Antrag die Junge Union. Deren stellvertretender Bundesvorsitzende Bastian Schneider sagte, es gebe keinen Grund, bei dieser Frage einem „medialen Mainstream“ zu nachzugeben: „Es stellt sich aus meiner Sicht die Frage, wozu ein Mensch die Staatsbürgerschaft eines Landes braucht, in dem er nicht geboren wurde, nicht aufgewachsen ist und nicht seinen Lebensmittelpunkt hat.“ Man dürfe als Gesellschaft, die Integration fördert, auch ein klares Bekenntnis zu Deutschland einfordern.
Die Junge Union wähnt sich in dieser Sache als Stimme des Volkes. „Die Menschen wollen ein klares Bekenntnis zu Deutschland“, sagte ihr Vorsitzender Paul Ziemiak.
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