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Offen im Vollzug

PARLAMENT Erste echte Debatte mit der AfD

Es fing bedächtig an. In der ersten inhaltlichen Debatte im neu gewählten Abgeordnetenhaus gab sich die AfD-Fraktion zumindest im Ton zurückhaltend. Ganz ruhig kritisierte ihr Abgeordneter Hans-Joachim Berg die rot-rot-grünen Pläne für mehr offenen Strafvollzug. Bei der Wortwahl ging er dafür in die Vollen: Eine „konsequente Zersetzung des Rechtsstaats“ und „Resozialisierungsromantik“ hielt er der mutmaßlichen künftigen Koalition vor. Später hingegen wurde es weit heftiger, als die AfD bei einer Debatte um Extremismus einen Linkspartei-Abgeordneten als „Hassredner“ bezeichnete und ausbuhte.

Die AfD hatte erstmals das Thema der „Aktuellen Stunde“ bestimmen dürfen, der zentralen und jeweils längsten Diskussion einer Plenarsitzung. Ihr Aufhänger war ein Satz aus dem Entwurf des Koalitionsvertrags, wonach der offene Strafvollzug – bei dem nach individueller Prüfung Häftlinge tagsüber nicht im Gefängnis sind – die Regel werden soll. Der SPD-Abgeordnete Sven Kohlmeyer legte nahe, da nicht zu viel rein zu deuten: Er wolle es sich ja mit den Koalitionspartnern Linke und Grüne nicht gleich verscherzen, aber aus seiner Sicht ist der Satz nur als „semantischer Erfolg“ zu bewerten.

Erfolgreiches Konzept

„Mörder, Vergewaltiger und Kinderschänder werden und werden auch künftig nicht im offenen Vollzug untergebracht“, sagte Kohlmeyer. Den Vorwürfen der AfD hielt er ein Zitat von CDU-Justizsenator Thomas Heilmann entgegen, der noch bis zur für den 8. Dezember geplanten Wahl des neuen Senats im Amt ist: „Der offene Vollzug ist keine liberale Verirrung, sondern ein erfolgreiches Konzept zur Resozialisierung.“ Die Missbrauchsquote liegt laut Heilmann selbst bei 0,03 Prozent.

Stefan Alberti

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