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Nachtreten ist billig

Kommentar

von Antje Lang-Lendorff

Müller schimpft auf Czaja

Auf den letzten Metern der rot-schwarzen Koalition will es Michael Müller seinem Sozialsenator offenbar noch mal so richtig zeigen: Laut Medienberichten ließ sich der Regierende in Sachen Flüchtlingsunterbringung Akten aus der Verwaltung von Mario Czaja (CDU) kommen, um dessen Arbeit zu überprüfen. Am Montagabend setzte er noch einen drauf: Müller, der in seiner eigenen Partei ziemlich unter Druck steht, bezeichnete den Sozialsenator öffentlich als „nach wie vor unfähig“.

Das soll wohl entschieden und klar daherkommen. Nach dem Motto: Der Chef zeigt, wo es langgeht, und nimmt die Missstände nicht mehr hin! Allein: Der Zeitpunkt für diese Schelte ist denkbar ungünstig gewählt.

Der Mumm fehlte

Denn sein Schimpfen wirft vor allem eine Frage auf: Wenn es tatsächlich so schlimm steht um die Sozialverwaltung, wieso hat Müller nicht früher interveniert? Ab Sommer 2015 gab es die Schlangen am Landesamt für Gesundheit und Soziales. Müller hatte anderthalb Jahre Zeit, etwas gegen das Chaos dort, gegen die Probleme bei der Flüchtlingsunterbringung zu unternehmen, ein echtes Machtwort zu sprechen, seine Autorität unter Beweis zu stellen.

Ja, auch vor einem Jahr schon kritisierte er Mario Czaja öffentlich. Bei einer Regierungserklärung im Abgeordnetenhaus sagte er, er sei nicht mehr bereit, beim Nichtstun zuzugucken. Die Probleme gab es jedoch weiterhin. Und Müller fehlte dann doch der Mumm, die letzte Konsequenz zu ziehen: seinen „unfähigen“ Senator zu entlassen. Denn damit hätte der Regierende den Bruch der rot-schwarzen Koalition riskiert – und frühzeitige Neuwahlen. Das traute er sich offenbar nicht.

Am Donnerstag kommt der neue, rot-rot-grüne Senat ins Amt, dann ist Sozialsenator Mario Czaja sowieso weg. Ihn jetzt noch derart bloßzustellen wirkt wie Nachtreten. Als wagte Müller es erst jetzt, richtig auszuteilen. Wenn er eh nichts mehr zu verlieren hat. Sorry, Herr Müller, aber das ist nicht stark und chefig, sondern billig.

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