Grünes Personal: Gemischtes Doppel

Bei der Senatorensuche tut sich die Partei schwer – zwei neue Landeschefs aber hat sie gefunden: Die Reala Nina Stahr und den Parteilinken Werner Graf.

Neue Wege bei den Grünen: Nina Stahr und Werner Graf sollen die künftigen Landesvorsitzenden sein Foto: dpa

Überdeckt von der Suche nach dem passenden Senatspersonal haben die Grünen in diesen Tagen geklärt, wer die Partei künftig führen soll, wenn das derzeitige Spitzen-Duo Bettina Jarasch und Daniel Wesener aufhört. Den Job wollen Nina Stahr (34) vom Realo-Flügel und der Parteilinke Werner Graf (36) übernehmen, wie beide der taz bestätigten. Beim Kleinen Parteitag am heutigen Donnerstag, bei dem es auch um den rot-rot-grünen Koalitionsvertrag geht, stellen sich die beiden erstmals öffentlich vor. Die Wahl selbst steht dann bei einem weiteren Parteitag am 3. Dezember an.

Die Neuwahl drängt, weil die Noch-Vorsitzenden seit der Abgeordnetenhauswahl Mitte September auch Parlamentarier sind, was den Parteistatuten widerspricht. Gingen früheren Führungswechseln noch Vorstellungsrunden in den Kreisverbänden voran, so hätten dieses Mal der Abgeordnetenhauswahlkampf und die nachfolgenden Koalitionsverhandlungen keine Zeit dafür gelassen, heißt es aus der Partei.

„Natürlich ist das misslich“, sagte Graf der taz. Für ihn ist das aber kein Zeichen dafür, dass die Rolle der Landesvorsitzenden künftig unwichtiger als bisher sein könnte. Bereits in früheren Jahren standen die Parteichefs oft im Schatten der Fraktionsspitze, nun kommen erstmals seit fast 15 Jahren noch drei Senatsmitglieder hinzu.

Graf befürchtet das nicht – „ich habe schon die Möglichkeit, die Lampe einzuschalten“, sagt Graf, „das habe ich bei Claudia Roth gelernt.“ Für die frühere, oft die Aufmerksamkeit auf sich ziehende Bundesvorsitzende war er drei Jahre lang persönlicher Referent.

Auch Stahr befürchtet nicht, dass durch die künftige größere Zahl der Führungspersonen der Parteivorstand weniger wahrgenommen werden könnte. Sie sieht ihre Aufgabe ohnehin mehr darin, nach innen zu wirken, und weniger, die Partei als konkurrierendes drittes Machtzentrum neben Abgeordnetenhausfraktion und Regierung zu etablieren, wie es bei der SPD bis zum Frühjahr der damalige Landesvorsitzende Jan Stöß versuchte. „Ich habe nicht das Interesse, die Partei gegen Fraktion und Senat auszuspielen“, sagt Stahr, „kritisch begleiten“ will sie stattdessen deren Arbeit.

Graf will als Chef „auch mal weiter denken, als es der Koalitionsvertrag hergibt“. Als Beispiel nennt er das Thema Cannabis: Das mit SPD und Linkspartei vereinbarte Modellprojekt sei prima – „und trotzdem will ich mehr, nämlich die komplette Legalisierung“.

Gegensätzlicher geht kaum

Denkt man allein in Schubladen, ließe sich kaum eine gegensätzlichere Doppelspitze finden: zum einen den Parteilinken Graf, Kreisvorstandsmitglied im grün-regierten Kreuzberg, zum anderen die realpolitische Stahr als Fraktionschefin im Zehlendorfer Bezirksparlament, wo die Grünen seit 2006 mit der CDU koalieren.

„Wenn wir beide in der Mitte stünden, gäbe es die Ränder und Flügel ja trotzdem noch“, sagt Graf, nur als Team könne die Doppelspitze funktionieren. Zu ihrer schwarz-grünen Prägung in Zehlendorf sagt Stahr, Bezirks- und Landes- oder Bundesebene seien nicht miteinander vergleichbar. Dennoch gilt für sie: „Ich glaube, grundsätzlich geht es überall. Es hängt von den Akteuren ab – mit Frank Henkel hätte es nicht geklappt.“

Graf und Stahr kannten einander bislang lediglich lose, wenn auch seit Jahren, von Parteiveranstaltungen und berichten nun von mehreren Telefonaten miteinander, die der Kandidatur vorangingen. „Das Grundvertrauen, dass es klappen kann, ist da“, sagt Stahr. „Da haben Bettina Jarasch und Daniel Wesener in den vergangenen Jahren eine gute Basis gelegt.“ Graf spricht davon, das Zusammenspiel dieser beiden habe Maßstäbe gesetzt.

Das war nicht unbedingt zu erwarten, als Jarasch und Wesener 2011 ins Amt kamen. Übergroß schienen die Gegensätze: einerseits die katholische Pfarrgemeinderatsvorsitzende, andererseits der enge Mitarbeiter der Kreuzberger Linken-Ikone Ströbele. Aus dieser Mischung aber wurde die renommierteste und auch über die Partei hinaus bekannteste Berliner Grünen-Doppelspitze überhaupt.

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