Veggie für alle: Kampf gegen Wurstmühlen

Der Chef der Rügenwalder Mühle hat eine „Zukunft ohne Fleisch“ prophezeit. Und damit viele Landwirte und Schweinemäster vergrätzt.

Im Bild ein Vegatarischer Schinken Spicker der Firma Rügenwalder Mühle

Rügenwalder will auf Wurstwaren verzichten und mehr vegetarische Produkte auf den Markt bringen Foto: imago/STPP

BERLIN taz |Der Marlboro-Mann warnt vor dem Rauchen? Kaum vorstellbar. Ein Wurstfabrikant warnt vor der Wurst? So geschehen Anfang dieser Woche. „Ernährungsphysiologisch ist die Wurst nicht so der Brüller“, sagte der Chef der Rügenwalder Mühle, Christian Rauffus in einem Interview zur FAZ – und erntete dafür wütende Reaktionen bei Schweinemästern.

Als Antwort auf die Aussagen des Rügenwalder-Mühle-Chefs kündigten via Twitter umgehend Bauern an, keine Produkte der Rügenwalder Mühle mehr kaufen zu wollen. „Vegane Fleisch- und Wurstattrappen“ sollten vom Zoll vernichtet werden, forderte ein Landwirt. Er erwarte für die Zukunft eher eine „autolose Autoindustrie“ als „Veggie für alle“, twitterte Udo Hemmerling vom Bauernverband.

„Abgesehen davon, dass eine Wurst unzweifelhaft eine leckere Sache ist, gibt es ja nicht viel Positives, was daran auszuloben ist“, hatte Rauffus gelästert. Für einen Produzenten Pommerscher Gutsleberwurst überraschende Worte – die sich jedoch ökonomisch auszahlen können.

Seit Dezember 2014 produziert das Unternehmen aus Niedersachsen auch vegetarische Produkte – und versucht in diesem schnell wachsenden Markt zu expandieren. Das ökonomische Kalkül dahinter ist vielversprechend. Eine Studie des Instituts für Handelsforschung in Köln aus diesem Jahr zeigt, dass in der Warengruppe der vegetarischen und veganen Lebensmittel die jährliche Wachstumsrate bei fast 17 Prozent liegt. Dagegen ist der Fleischmarkt im wahrsten Sinn gesättigt – und leidet unter Produktionsrückgängen. „Ich kann mir vorstellen, dass wir in zwanzig Jahren ohne Fleisch arbeiten“, prophezeite Wurstfabrikant Rauffus.

Eine Zukunft ohne Fleisch? Für den deutschen Bauernverband ist das schwer vorstellbar. „Die Aussage von Herrn Rauffus ist reines Marketing für seine Firma“, sagt Michael Lohse, Sprecher des deutschen Bauernverbands, gegenüber der taz. Und: „Ich kenne die Zusammensetzung seiner Rügenwalder-Wurst nicht, dass er davon abraten muss.“ Fleisch gehört für den Bauernvertreter Lohse „zu einer abwechslungsreichen und gesunden Ernährung“. Studien belegten dies. Das ist der Knackpunkt der Debatte, die nicht nur sehr emotional geführt wird, sondern auch mit wissenschaftlichen Argumenten auf beiden Seiten. Einen Rügenwalder-Boykott will Bauernsprecher Lohse allerdings nicht unterstützen.

Christian Rauffus, Wurstfabrikant

„Ich kann mir vorstellen, dass wir ohne Fleisch arbeiten“

Doch die Position von Rügenwalder-Chef Rauffus bekommt auch Zuspruch. „Wir stehen voll hinter den Aussagen“, sagt Edmund Haferbeck aus der Wissenschafts- und Rechtsabteilung der Tierrechtsorganisation Peta. Bei dem Wandel könne man nicht allein auf die kleinen Vegan-Pioniere setzen, sondern brauche auch große „Signalunternehmen“ wie Rügenwalder.

Ganz neu sind die Aussagen von Rauffus unterdessen nicht. Schon 2014 hatte er gesagt: „Die Wurst ist die Zigarette der Zukunft.“

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