Neue Einigung in absoluter Rekordzeit

Kolumbien Regierung und Farc haben wesentliche Passagen des Friedensabkommens neu ausgehandelt. Ein zweites Referendum wird es nicht geben, dafür ein Votum im Parlament

Kubas Außenminister Bruno Rodríguez (l.) und Farc-Unterhändler Iván Márquez in Havanna Foto: E. de la Osa/reuters

Aus Medellín Knut Henkel

Erleichtert stellte sich Kolumbiens Präsident Juan Manuel Santos am Samstagabend in Bogotá vor die Presse: „Das ist ein besseres Abkommen“, erklärte er, und sein Chefunterhändler Humberto de la Calle ergänzte parallel dazu in Havanna: „Wir sind davon überzeugt, dass dieses Dokument realisierbare Wege enthält.“ Dafür hat die Farc, Kolumbiens größte Guerillaorganisation, weitere Zugeständnisse gemacht.

Allerdings gehen diese nicht so weit, wie es die Opposition um den Expräsidenten Álvaro Uribe Vélez verlangt hatte. Sie hatte mit ihrer von Ressentiments geprägten und mit Fehlinformationen gespickten Nein-Kampagne das Abkommen im Referendum am 2. Oktober zu Fall gebracht. In der Rekordzeit von gut einem Monate wurde das Abkommen daraufhin überarbeitet. Die Basis dafür lieferten mehr als 800 Vorschläge, die in Havanna verhandelt und zumindest teilweise in das Abkommen eingearbeitet wurden. Der neue Vertragstext sei, so ist in der gemeinsamen Erklärung von Regierung und Farc zu lesen, „ein Kompromiss zwischen allen Kolumbianern, der zur Überwindung der Polarisierung beiträgt und alle politischen und sozialen Stimmen vereint“.

Davon konnte sich Álvaro Uribe Vélez überzeugen. Der Kopf der Opposition, die einflussreiche Wirtschaftskreise, darunter die Großgrundbesitzer vertritt, wurde von Präsident Juan Manuel de Santos persönlich informiert und erhielt als einer der Ersten den neuen Vertragstext. Das war ein symbolischer Akt, denn Präsident Santos geht es darum, zu zeigen, dass er gewillt ist, die Opposition ins Boot zu holen.

Das war auch in seiner Erklärung, die er nach dem Treffen mit Uribe verlas, nicht zu überhören. Santos warb für einen Kompromiss, in den die Vorschläge der Kritiker eingeflossen seien, aber auch die Position der Farc Berücksichtigung finde. Es bleibe dabei, dass die Guerilla alsbald in beiden Kammern des Parlaments vertreten sein werde – ein Modell das auch in anderen Ländern erfolgreich praktiziert worden sei, so Santos in seiner Stellungnahme.

Modifiziert wurden allerdings einige Bestimmungen der Übergangsjustiz, die für die Wahrheitsfindung, die Verurteilung und die Wiedergutmachung verantwortlich sind und garantieren sollen, dass sich Vergleichbares in Kolumbien nicht wiederholt. So wurde dem Verfassungsgericht ein Revisionsrecht gegenüber den Entscheidungen der Sondergerichte, an denen doch keine internationalen Richter tätig sein sollen, zugebilligt und die Haftbedingungen der Guerilleros wurden verschärft. Zugeständnisse, die die Opposition erst analysieren will, so Álvaro Uribe Vélez am Samstagabend in Bogotá.

Klar ist jedoch, dass es kein zweites Referendum geben wird. Als wahrscheinlich gilt, dass Präsident Santos das Abkommen im Parlament, wo er über eine solide Mehrheit verfügt, zur Abstimmung stellen wird. Doch auch dazu ist er nicht verpflichtet, wie die Verfassungsrichter jüngst klarstellten, so der Kongressabgeordnete Alirio Uribe Muñoz vom Polo Democrático Alternativo. „Präsident Santos hat alles in der Hand: Er hat den internationalen Rückhalt, hat Parlament und Straße hinter sich. Allerdings muss die Implementierung des Abkommens bis Mai 2017 abgeschlossen sein“, mahnt der 56-jährige ehemalige Menschenrechtsanwalt.

Präsident Juan ­Manuel Santos will zeigen, dass er gewillt ist, die Opposition mit ins Boot zu holen

Dann beginnt nämlich die heiße Phase der Präsidentschaftswahlen in Kolumbien, und deshalb sollte bis dahin der Fahrplan für den Frieden unter Dach und Fach sein. Dazu gehört auch die Aufnahme der Verhandlungen mit der zweitgrößten Guerilla-Organisation, des Ejercito de Liberación Nacional (ELN), die in Ecuadors Hauptstadt Quito stattfinden sollen.

Daran will Alirio Uribe Muñoz teilnehmen. Der Startschuss dafür könnte in den nächsten Tagen fallen – falls die ELN den ehemaligen Kongressabgeordneten Odín Sánchez freilässt. Das hat Präsident Juan Manuel Santos zur Bedingung gemacht. Zudem erwünscht ist die Aufnahme der Verhandlungen, noch bevor Santos zur Verleihung des Friedensnobelpreises am 10. Dezember nach Oslo reist.

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