: „Der deutsche Staat sollte sehr viel stärker investieren“
Finanzkrise Die Banken schwächeln so sehr, dass sie nun sogar versuchen, die Kundengebühren zu erhöhen, beklagt der Volkswirt Gustav Horn. Ihr größtes Problem sei, dass in Deutschland fast niemand Kredite aufnehmen wolle. So bleibe ihnen nur das mit Risiken behaftete Auslandsgeschäft
Der 62-Jährige ist habilitierter Volkswirt und leitet das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung. Zugleich lehrt er an der Universität Duisburg.
taz: Herr Horn, 1 Billion Euro von deutschen Anlegern sind im Ausland verschwunden. Warum fällt das nicht auf?
Gustav Horn: Der Schwund findet zunächst nicht in der Realwirtschaft statt, sondern auf den Finanzmärkten. Geldanlagen im Ausland verlieren ihren Wert, weil Schuldner nicht zahlen können oder Währungen abwerten. Diese Verluste laufen dann bei den Finanzanlegern auf – also bei den Banken und Investmenthäusern. Auch deutsche Exportunternehmen sind betroffen, wenn ihre Partner im Ausland nicht zahlen können.
Also sind die deutschen Banken bald wieder pleite?
Solange die Konjunktur normal läuft, brechen die Banken an diesen Verlusten im Ausland nicht zusammen. Aber die Institute schwächeln chronisch, weil die Verluste auf den Gesamtgewinn drücken. Der neueste Trick ist, dass die deutschen Banken versuchen, ihre Kunden anzuzapfen, indem sie die Gebühren anheben.
Die Banken behaupten, sie müssten höhere Gebühren verlangen, weil die Zinsen so niedrig sind.
Die aktuell niedrigen Zinsen können nur zum Teil erklären, warum die Bilanzen der deutschen Banken so schlecht aussehen. Das Kernproblem ist, dass die deutschen Banken permanent Geld im Ausland verlieren. In der Finanzkrise ab 2007 waren diese Verluste dann so extrem, dass der Staat einspringen musste.
Wann kommt die nächste Finanzkrise?
Wenn ich das genau wüsste, könnte ich als Spekulant reich werden. Deutlich ist aber, dass sich das Potenzial für eine Finanzkrise wieder aufbaut. Jede Kleinigkeit kann sie auslösen.
Was sind die konkreten Gefahren?
Das größte Risiko für die deutschen Banken sind die Wechselkurse – dass also der Euro deutlich aufwertet. Im Augenblick ist der Euro sehr billig, was die Exporte erleichtert. Sollte der Eurokurs steigen, würde es gerade für die Eurokrisenländer wieder schwieriger zu exportieren. Es käme also zu einer Rezession, von der auch Deutschland betroffen wäre. Gleichzeitig müssten die deutschen Banken einen Teil ihrer Kredite im Ausland abschreiben, weil viele Schuldner ihre Eurodarlehen nicht mehr bedienen können, wenn der Kurs steigt.
Noch sieht es aber nicht so aus, als ob der Eurokurs demnächst steigen würde. Die Europäische Zentralbank tut alles, um ihn zu drücken.
Zu einem Wechselkurs gehören immer zwei. Es könnte gut sein, dass auch andere Länder ihren Kurs drücken wollen. Dann wären die deutschen Banken sofort in der Krise.
Warum investieren die deutschen Banken nicht einfach in Deutschland? Dann wären sie das Risiko los, dass sie Geld im Ausland verlieren.
Die Banken haben das Problem, dass in Deutschland fast niemand Kredite aufnehmen will. Stattdessen sparen alle. Der Staat spart, die privaten Haushalte sparen in der Summe auch – und auch viele Unternehmen sitzen auf riesigen Finanzpolstern. Also bleibt den Banken nur das Ausland. Denn dort ist die Nachfrage nach Krediten groß, weil man deutsche Waren kaufen will.
Gibt es einen Ausweg aus diesem Teufelskreis?
Die Bundesregierung sollte beherzigen, was der Internationale Währungsfonds (IWF) gerade wieder gefordert hat: Der deutsche Staat sollte sehr viel stärker investieren. Gerade die Kommunen haben einen enormen Bedarf. Es ist intelligenter, das Geld zu Hause auszugeben, als es im Ausland zu verlieren.
Interview Ulrike Herrmann
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