Was fällt, das steigt auch wieder

Kleinanleger Bremer Soziologen untersuchen, was Kleinanleger auf dem globalen Aktienmarkt machen. Sie finden reisende Rentner und einsame Experten, aber wenig junge Menschen und kaum Frauen

Kleinaktionäre legen ihr Geld gerne in regionalen Firmen an, die sie zu kennen glauben

Kleinaktionäre machen nur Schlagzeilen, wenn sie auf der Jahreshauptsversammlung die Kreise der Großen stören. Solange sie sich nur die mitgebrachten Tupperdosen am Aktionärsbuffet vollstopfen oder sich nur in dem Gefühl sonnen, mal neben einem ganz großen Namen gestanden zu haben, nehmen das börsennotierte Firmen wohlwollend hin. Was aber Kleinaktionäre wirklich antreibt, wollen Bremer Soziologen herausfinden. In 200 Interviews wollen sie herausfinden, wer eigentlich an der Börse in kleinem Umfang investiert und wie diese Personen ihre Entscheidungen treffen.

Rund 10 Prozent der Bevölkerung hat Aktien. Wie viele davon als „klein“ einzustufen sind, ist schwer zu beantworten. Aus Sicht der Soziologen ist klein, wer weniger als 300.000 Euro bewegt. Dabei geht es den Forschern darum, diejenigen abzubilden, die selbstbewusst und eigenverantwortlich mit Papieren spekulieren.

Der Soziologe Michael Walter hat bei seinen Interviews meistens mit Rentnern gesprochen. Einige davon reisen von einer Aktionärsversammlung zur nächsten – „Sie sind stolz darauf, dabei zu sein“. Andere treffen sich regelmäßig, um zu fachsimpeln und sich auszutauschen und einige legen ihr Geld gemeinsam in „Investmentclubs“ an. Laut Walter halten sich die meisten für kompetent genug, um ihr Geld allein zu investieren. Die Strategie sei zumeist nicht allzu kompliziert. Schon das Motto „Was fällt, das steigt auch wieder“ könne reichen.

Aus der Sicht des Soziologen speist sich das Selbstbewusstsein der Kleinanleger vor allem aus der Erfahrung, dass die Großen es auch nicht besser wissen. Die einen raten, bei steigenden Kursen zu investieren, andere raten, nach stark gefallenen Kursen zu kaufen – in der Hoffnung, dass die Aktien wieder steigen.

Hinzu kommt, dass Banken gerne ihre eigenen Papiere empfehlen und an Transaktionskosten verdienen. Sie haben also ein Interesse daran, den Wechsel von Anlage-Objekten zu empfehlen.

Kleinaktionäre legen ihr Geld laut dem Forscher lieber in regionalen Unternehmen an, die sie zu kennen glauben. Schiefgehen kann das trotzdem: Ein Anleger hat sein Geld – vor Jahrzehnten – dem Bremer Vulkan gegeben – in der Hoffnung, dass der Bremer Senat „seine“ letzte Werft nie fallen lässt. Andere haben sich von der Hochglanz-Propaganda der Beluga-Reederei blenden lassen und danach Schiffsbeteiligungen gekauft. Aber es gibt auch Kleinanleger, die Geld in Windenergie mit Prokon verloren haben oder sich von dem Finanzdienstleister AWD riskante Fonds aufschwatzen ließen.

Insgesamt hat die Zahl der Kleinanleger in den letzten Jahren abgenommen. Diejenigen, die dabei geblieben sind, erzählen gern von ihren Gewinnen in Zeiten von Null-Prozent-Sparkonten.

Insgesamt 80 Gespräche haben die Soziologen bislang ausgewertet, viele StudienteilnehmerInnen fehlen noch – vor allem jüngere Kleinanleger und Frauen. Besonders von ihnen wüssten die Forscher gerne, wie sie zu Kleinanlegern werden und wie sie ihr eigenes Engagement in der Welt der alten Männer sehen. Kawe