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Die GESELLSCHAFTSKRITIKIrre Drohung des „Bild.de“-Chefs

WAS SAGT UNS DAS?Julian Reichelt, Chefredakteur von „bild.de“, outet sich: Er will die Grünen wählen

Als ob die Grünen nicht schon genug Stress hätten. Die Kleinpartei sitzt bei 11 bis 12 Prozent in den Umfragen fest, kommt also nicht recht aus dem Bioquark. Wichtige Machtfragen sind ungeklärt, Linksgrüne motzen über Kretschmann, die Basis ist stinksauer über den Besuch des Daimler-Bosses auf dem Parteitag. Und jetzt das. bild.de-Chef Julian Reichelt kündigt an, die Grünen zu wählen. Das ist keine gute Nachricht für die Ökopartei, oder, wie die Springer-Jungs vielleicht schrei­ben würden: Megaschock bei den Grünen – alles über die IRRE Drohung des bild.de-Bosses.

Für viele Mitglieder dürfte Reichelts Ankündigung die ultimative Provokation sein. Was will der Boulevardprofi mit seinem Outing erreichen?

Offiziell begründet Reichelt die Sympathie mit dem scharfkantigen außenpolitischen Kurs der Grünen. Parteichef Cem Özdemir hatte jüngst neue Wirtschaftssanktionen der EU gegen Russland gefordert. Baschar al-Assads Armee massakriere die Zivilbevölkerung – und Russland sorge dafür, dass das Sterben weitergeht. Özdemirs Plädoyer, dass der Westen in Syrien stärker eingreifen müsse, stieß vielen friedensbewegten Grünen sauer auf, doch der Öko aus dem Springer-Verlag ist ganz begeistert. „Die Friedenspartei hat als einzige erkannt, dass man in Syrien Frieden nicht bewahren, sondern wiederherstellen muss“, twitterte er.

Nun ist die Bild-Zeitung im 21. Jahrhundert vielleicht nicht mehr das reaktionäre Kampfblatt, gegen das Günter Wallraff einst anschrieb. Aber für ekelhafte Kampagnen reicht es auch heute noch, wie Bildzum Beispiel während der Griechenland-Krise bewies („Verkauft doch eure Inseln, ihr Pleite-Griechen!“). Und im Bundestagswahlkampf 2013 verbreitete Bildden Mythos, die Grünen wollten mit dem Veggieday den Deutschen ihr geliebtes Billigschnitzel verbieten.

Deshalb liegt ein böser Verdacht nahe. Ist Reichelts Bekenntnis nur ein mieser Trick, um die Grünen vollends zu marginalisieren? Gebildete ­Ökobürgerliche finden Fraternisierung mit dem Boulevard ja eher uncool, der Neuwähler könnte die Grünen also viele Stimmen kosten. Wenn Franz-Josef Wagner demnächst Liebesbriefe an Katrin-Göring Eckardt verfasst, sollte die Ökopartei misstrauisch werden.

Ulrich Schulte

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