Radikaler Umbau bei der Berliner Zeitung: Wer darf ins neue Haus?

DuMont will zeitnah verkünden, wie es mit „Berliner Zeitung“ und „Berliner Kurier“ weitergeht. Die Verunsicherung in der Redaktion ist groß.

Fassade eines hohen Bürogebäudes. Auf dem Dach der Schriftzug „Berliner Zeitung“

Schieflage: DuMont will mit dem Berliner Verlag umziehen. Aber wie? Foto: reuters

Ist der große Konferenzraum zwischen Erdgeschoss und erstem Stock nun für Mittwoch und Donnerstag von der Geschäftsführung gebucht? Oder doch Dienstag und Donnerstag? Anscheinend wurde der Buchungsplan ein paar Mal verändert. Am Freitagabend hieß es dann, der Saal sei für Dienstag, Mittwoch und Donnerstag geblockt. Diese Raumbuchungen sind eigentlich stets das erste Indiz dafür, wann es wieder Großes im Haus des Berliner Verlags am Alexanderplatz zu verkünden gibt. Doch noch nicht einmal in diesem Punkt scheint derzeit Klarheit zu herrschen.

Dabei wollen alle Betroffenen momentan vor allem das: Klarheit.

Seit Monaten weiß man, dass der Berliner Verlag zum neuen Jahr umziehen wird – raus aus dem Stammhaus, rein ins sogenannte Ferrati-Gebäude am Spittelmarkt. Nur ein paar hundert Meter Luftlinie sind das, und doch ist der Schritt ein großer. Noch im Mai schrieb der Betriebsrat in einer internen Mitteilung: „Die Geschäftsführer haben ausdrücklich versichert, dass alle Redaktionen und Verlagsbereiche mitgenommen werden. Nach all den Befürchtungen der letzten Monate ist das auf jeden Fall eine gute Nachricht.“

Doch diese gute Nachricht hat sich längst in Luft aufgelöst. Denn auch wenn alle Redaktionen mitumziehen sollten, alle RedakteurInnen und MitarbeiterInnen werden auf keinen Fall mitumziehen, dafür reicht der Platz im neuen Haus gar nicht.

„Auf nordkoreanische Art kommunizieren“

Was also plant DuMont mit dem Berliner Verlag, zu dem die Berliner Zeitung, der Berliner Kurier und die DuMont-Hauptstadtredaktion gehört, die überregionale Inhalte auch an den Kölner Stadtanzeiger und die einst zu DuMont gehörende Frankfurter Rundschau liefert?

Die Redaktion weiß: nichts. Der Betriebsrat weiß: nichts. Im Branchenmagazin Horizont schrieb der ehemalige Chefredakteur der Berliner Zeitung, Uwe Vorkötter, über diese (Nicht-)Informationspolitik des Verlagshauses in Anspielung auf dessen Hauptsitz in Köln, dass sie zeige, dass man auch aus dem Glaspalast heraus „auf nordkoreanische Art kommunizieren“ könne.

Werden das Boulevardblatt Kurier und die Abonnementzeitung Berliner Zeitung in einem Newsroom zusammengelegt? Wird die Hauptstadtredaktion abgewickelt? Wird – wie in der Zeit beschrieben – die Berliner Zeitung zu einem sehr lokalen Lokalblatt für die Ostberliner Bezirke? Davon hat auf den Fluren am Alexanderplatz zwar noch niemand etwas gehört, aber: „Wir können uns im Moment alles vorstellen“, sagt die Betriebsratsvorsitzende Renate Gensch.

Gensch ist seit 25 Jahren beim Berliner Verlag. „Was ich da alles erlebt habe, wie viele Geschäftsführer und Personalleiter ich überlebt habe“, räsoniert sie laut: Nach der Wende ging der Berliner Verlag erst an Gruner+Jahr, dann an Holtzbrinck, das zum Verkauf gezwungen wurde. 2005 kam die Investmentgesellschaft Mecom, nahezu alle MitarbeiterInnen protestierten, diverse RedakteurInnen verließen das Blatt. „Ich dachte, es könnte nicht mehr schlimmer kommen“, sagt sie mit Blick auf die Jahre 2005 bis 2009.

Digitale Transformation verschlafen

Doch jetzt ist sie sich dessen nicht mehr so sicher. Denn die Hinhaltetaktik von DuMont, das den Berliner Verlag damals von Mecom übernommen hat, sei „gruselig“. Die Geschäftsführung unterhalte sich mit den Betriebsräten zwar über die Farbe der Teppiche im neuen Haus, die Raumakustik, aber nicht über das Wesentliche: Wer arbeitet eigentlich wie im neuen Haus?

Dabei weiß eigentlich jeder, dass sich am Wie einiges ändern muss: Die Berliner Zeitung hat die digitale Transformation verschlafen. Aber so richtig. Während in anderen Redaktionen seit Jahren multimedial, also zumindest fürs Print- wie auch fürs Onlineangebot gearbeitet wird, ist ein Großteil der 160 RedakteurInnen von Kurier und Berliner Zeitung noch uno- (oder heißt es mono-?) medial unterwegs. Überregionale Inhalte werden in Köln produziert, was zu der paradoxen Situation führt, dass von der DuMont-Hauptstadtredaktion im 13. Stock des Berliner Verlagshauses geschriebene Texte erst nach Köln gehen, statt ein Stockwerk höher bei den hauseigenen Onlinern für berliner-zeitung.de aufbereitet zu werden.

„Jedem denkenden Menschen ist klar, dass hier etwas geschehen muss“, sagt Frederik Bombosch, der Vorsitzende des Redaktionsausschusses der Berliner Zeitung, über die Digitalstrategie. Aber dafür bräuchte man motivierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, doch die Strategie der Geheimhaltung verunsichere nur, sagt er.

Diese Geheimhaltung könnte viel damit zu tun haben, dass der selbst in einer Krise steckende DuMont-Verlag nach Wegen sucht, sich die MitarbeiterInnen, die mitumziehen dürfen, selbst aussuchen zu können. Dazu müsste wohl eine neue Gesellschaft gegründet werden. Und der Umzug und die Übernahme der bisherigen RedakteurInnen dürfte kein Betriebsübergang sein, denn dann ziehen quasi alle mit um – und wen DuMont dann entlassen will und darf, das entscheidet der Konzern nicht mehr allein, denn dann greifen die Kriterien der Sozialauswahl.

Klar ist: Die Berliner Zeitung braucht einen radikalen Umbau, um die Verluste bei den Anzeigen, der verkauften Auflage, die von gut 200.000 Ende der 90er Jahre auf aktuell knapp 97.000 gesunken ist, und nicht zuletzt der Bedeutung zu kompensieren. In der Zeit wurde der Neuanfang bereits vor dessen Verkündung als „brutal“ bezeichnet – komme, was wolle.

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