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Refugees welcome

MIPCOM Auf der weltgrößten Fernsehmesse dominieren Flüchtlingsgeschichten. Darf man damit unterhalten?

Aus Cannes Wilfried Urbe

Als Nachrichtenthema sind die Flüchtlinge im europäischen Fernsehen schon längst angekommen. Jetzt drängt das Thema auch in die Unterhaltung. Das zeigt die größte Fernseh-Messe der Welt, die Mipcom in Cannes, die heute zu Ende geht. Aber wie mit einem Thema umgehen, um das in der Gesellschaft so heftig gestritten wird?

BBC 2 etwa macht mit „Our Journey to Europe“ eine Art Doku-Soap daraus und drückte letztes Jahr einigen Flüchtlingen im türkischen Izmir Kameras in die Hand. Damit konnten sie sich auf ihrer Odyssee ins gelobte Land selber filmen. Vor Kurzem ging das Format in England auf Sendung und wurde in Cannes nun den Programmeinkäufern aus aller Welt vorgestellt.

Humor kann

Lustig darf es natürlich auch sein, beispielsweise wenn es zum Culture Clash kommt, so wie bei „Welcome to Norway“: Hier entdeckt ein fremdenfeindlicher Hotelier am Nordkap, der kurz vor der Pleite steht, wie er mit den ungeliebten Neuankömmlingen Kasse machen kann. Der norwegische Film wird in Südfrankreich als Fernsehware angeboten – in Deutschland ist er gerade in den Kinos gestartet.

Die englisch-spanische Koproduktion „The refugees“ wiederum verarbeitet die Thematik als Science-Fiction-Serie, in der Milliarden von Flüchtlingen aus einer Zukunft, in der die Welt untergeht, in die Gegenwart zurückkehren. Und das mit der Auflage, dass sie über die Geschehnisse der kommenden Zeit nicht sprechen dürfen.

„Es ist klar, dass solch ein hochemotionales Thema auch hier eine große Rolle spielt“, sagt Mipcom-Chefin Laurine Garaude. „All das, was die Menschen bewegt, gibt es auch hier auf der Messe zu sehen.“

Bereits 2012 wurde in Cannes das Format „Go Back to Where You Came From“ vom australischen Sender SBS vorgestellt: Ohne Pass, Handy oder Brieftasche besteigen sechs australische junge Männer ein Boot und werden in Flüchtlingscamps nach Afrika zurückgeschickt, wo sie sich durchschlagen müssen. Das Format ist in Cannes noch immer nachgefragt. Bei uns lief es bereits 2013 unter dem Titel „Auf der Flucht – das Experiment“. Trotz kontroverser Diskussion wurde die Reihe mit dem Deutschen Fernsehpreis ausgezeichnet.

Das Publikum jedenfalls erwartet von jeder Geschichte eine Antwort. Aber welche Fragen dürfen denn angesichts einer Entwicklung, deren Verlauf überhaupt noch nicht abzusehen und einzuschätzen ist, gestellt werden?

„Ich bin dem Thema lange ausgewichen, da in der aktuellen Berichterstattung in allen Einzelheiten darüber ausführlich berichtet wird. Deshalb war es schwierig, einen fiktionalen Entwurf zu realisieren“, sagt UFA-Chef Nico Hofmann, „ein Film sollte immer eine Ergänzung, einen Mehrwert bieten.“

Jetzt möchte er gemeinsam mit Soleen Yusef, die an der Filmakademie Baden-Württemberg studiert hat und für ihren Abschlussfilm „Haus ohne Dach“, eine Migrationsgeschichte, bereits den Nachwuchs­preis „First Steps Awards“ gewann, doch einen Film machen. „Soleen ist selbst mit ihrer Familie als Kind von Kurdistan nach Deutschland geflüchtet. Mit ihr möchte ich im nächsten Jahr eine Romanvorlage verfilmen“, so der Produzent, der Wert darauf legt, dass seine Kollegen Ahnung vom Thema haben.

Flucht braucht verschiedene Perspektiven im TV, sagt Medienwissenschaftler Andreas Rauscher

Unterhaltung muss

Der Geschäftsführer der ProSiebenSat.1–Tochter Red Arrow international möchte sich hingegen erst einmal nicht mit Migration und Flucht befassen: „Wir machen Fernsehunterhaltung.“ Der Erfolg seiner ABC-Serie „Clever Man“, die angelehnt an einen Mythos der Aborigines von unterdrückten Wesen erzählt, wurde durch die Krise „allerdings stark befördert“.

Sollte Unterhaltung in Film und TV also nur solche Stoffe aufnehmen, zu denen es einen klaren gesellschaftlichen Konsens gibt? „Auf keinen Fall“, sagt der Medienwissenschaftler Andreas Rauscher. „Fernsehen mobilisiert auf vielen Ebenen das Publikum, das sich sonst mit bestimmten Themen nicht auseinandersetzen würde.“ Aber das sei nur sinnvoll, wenn viele Sichtweisen dargestellt würden, damit keine eindimensionalen Parolen transportiert werden.

Beispiele dafür, wie so etwas gelingen kann, gibt es viele. Ein Klassiker ist „In der Hitze der Nacht“ von 1967: Die Auseinandersetzung um die Gleichberechtigung der Afroamerikaner in den 60er Jahren als Cop-Geschichte gehört heute immerhin zum TV-Weltkulturerbe.

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