piwik no script img

Länder tricksen beim Hochschulpakt

BILDUNG Der Bund übernahm die Bafög-Ausgaben, damit Länder mehr Geld für Hochschulen haben. Das klappte nicht überall

Mehr Geld für ihre Hochschule? Möglicherweise nicht Foto: Frank Rumpenhorst/dpa

Aus Berlin Anna Lehmann

1,2 Milliarden Euro – so viel Geld sparen die Bundesländern seit 2015 jährlich, seit das Bundesbildungsministerium (BMBF) die Ausgaben fürs Bafög allein trägt. Das eingesparte Geld soll vor allem den Hochschulen zugute kommen. Diese Hoffnung verknüpfte zumindest Bildungsministerin Johanna Wanka (CDU) mit dem Deal – freilich ohne schriftliche Abmachung.

Misstrauen ist also angesagt und offenbar zu Recht. Eine Abfrage des BMBF über die Verwendung der eingesparten Bafög-Mittel belegt, dass zwei Länder, Nordrhein-Westfalen und Hessen, mit den Zusatzmillionen ihren Länderanteil bei einem anderen Bundesprogramm aus dem Hochschulpakt begleichen.

Das Haus von Johanna Wanka hatte im Sommer bei den Bildungs- und Wissenschaftsministerien der 16 Länder abgefragt, in welche Bereiche die gesparten Bafög-Mittel fließen. Die Ergebnisse wurden an den Bundestag weitergeleitet und liegen der taz vor. Hessen und Nordrhein-Westfalen antworteten laut Abfrage, dass ein Teil des Geldes zur Kofinanzierung des Hochschulpakts diene. Rund 200 Millionen Euro sind es in Nordrhein-Westfalen, 21,9 Millionen in Hessen.

Doch so hatte sich Wanka das eigentlich nicht gedacht. Beim Hochschulpakt hatte sie sich mit den Ländern 2014 darauf geeinigt, noch einmal bis zu 760.000 zusätzliche Studienplätze zu schaffen und die Kosten paritätisch zu teilen. Darüber gibt es auch eine schriftliche Vereinbarung, in der alles geregelt ist. Von den 26.000 Euro, die pro Studienplatz veranschlagt sind, zahlt der Bund 13.000 Euro, die Länder legen die andere Hälfte obendrauf.

„Die einzelnen Länder verpflichten sich, zur Sicherstellung der Gesamtfinanzierung zusätzliche finanzielle Leistungen zu erbringen“, heißt es in der Verwaltungsvereinbarung vom Dezember 2014. „Der Hochschulpakt ist so angelegt, das Länder und Bund sich die Finanzierung teilen“, bestätigt Wankas Sprecher. „Eine eigene Leistung der Länder ist somit Grundlage des Paktes.“

Die Länder hätten ihre Bildungsetats 2015 also in doppelter Hinsicht aufstocken müssen – um die Hochschulpaktmittel und um die freigewordenen Bafög-Millionen. Angesichts der Schuldenbremse, die ab 2020 gelten soll, eine doppelt schwere Last.

Wanka kündigte an: Bund-Länder-Abkommen gibt’s nur noch schriftlich

Der Sprecher des hessischen Wissenschaftsministers, Boris Rhein (CDU), antwortete auf Nachfrage der taz, dass Hessen die gesparten Bafög-Mittel auch 2016 vollständig in die Kofinanzierung des Hochschulpakts einsetze. Zweckentfremdung? Aber nein: „Hessen hat als einziges Bundesland in Deutschland entschieden, die Bafög-Einsparungen eins zu eins in den Hochschulbereich fließen zu lassen.“ Formal korrekt – der Zusatznutzen hält sich aber in Grenzen.

Aus dem NRW-Wissenschaftsministerium, geleitet von der SPD-Politikerin Svenja Schulze, hieß es auf die Anfrage der taz, dass man die freien Bafög-Mittel, rund 200 Millionen Euro pro Jahr, auch 2016 und 2017 zur Kofinanzierung des Hochschulpakts nutze. Eine Sprecherin Schulzes begründet das mit dem besonderen Einsatz NRWs. Das Land leiste beim Hochschulpakt deutlich mehr, als es laut Einwohnerzahl müsste. Diese Leistung sei angesichts der Schuldenbremse nicht selbstverständlich. „Deshalb unterstützt die Entlastung beim Bafög das Land dabei, zusätzliche Landesmittel zur Kofinanzierung des Hochschulpaktes bereitzustellen.“

Aus dem BMBF heißt es diplomatisch: „Mit der Entlastung der Länder beim Bafög leistet der Bund einen großen Beitrag für gute Bildung. Es liegt an den Ländern, diese geschaffenen Freiräume verantwortungsvoll zu nutzen, also im Sinne von Studierenden, Schülerinnen und Schülern.“ An anderer Stelle hat Wanka jedoch schon angekündigt: Sie wolle nie mehr ein Bund-Länder-Abkommen ohne schriftliche Vereinbarung, wie das Geld eingesetzt werde.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen