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Harzkliniken sind Vorreiter im Kampf gegen resistente Keime

MRSA Multiresistente Keime in Krankenhäusern sind für Patienten mit geschwächtem Immunsystem eine große Gefahr. Die Harzkliniken testen als einzige Einrichtung in Norddeutschland alle neuen Patienten auf Keime. Sonst werden nur chronisch Kranke und Pflegebedürftige überprüft

Sind MRSA-Keime auf dem Abstrich? Im Harz werden alle Klinikpatienten getestet Foto: Daniel Karmann/dpa

Multiresistente Keime sind eine Gefahr in Krankenhäusern. Sind sie einmal dort gelandet, können sie bei den Patienten Infektionen auslösen. Vorreiter bei der Prävention solcher Erkrankungen sind die privaten Harzkliniken. Die zur Asklepios-Gruppe zählenden Krankenhäuser in Goslar, Bad Harzburg und Clausthal-Zellerfeld testen als wohl einzige Gesundheitseinrichtung in Norddeutschland alle Patienten bei der Aufnahme auf MRSA-Keime. Auch bundesweit praktizieren bislang nur wenige Kliniken dieses umfassende Vollscreening.

MRSA bedeutet Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus. Die Bakterien kommen auf der Haut von vielen gesunden Menschen vor. Ist das Immunsystem geschwächt, können sie Infektionen verursachen und zu Blutvergiftungen und Lungenentzündungen führen.

„Durch das Vollscreening haben wir die Anzahl der MRSA-Blutvergiftungen um 50 Prozent reduziert und damit die Patientensicherheit extrem erhöht“, sagt der in den Harzkliniken für die Krankenhaushygiene verantwortliche Oberarzt Ulrich Sievers. Bei der mikrobiologischen Eingangsuntersuchung nehmen Schwestern Abstriche aus Rachen und Nase der Patienten. Innerhalb eines Tages können betroffene Patienten isoliert und behandelt werden.

Für das umfassende Screening aller Patienten hatten sich Sievers und sein Team lange eingesetzt. Seit Oktober 2014 wird es an den Harzkliniken praktiziert. Im vergangenen Jahr haben die Ärzte an den drei Harzklinik-Standorten insgesamt 20.000 Menschen überprüft.

441 Patienten waren von MRSA befallen, die meisten von ihnen – nämlich 423 – hatten die Keime von außen mitgebracht. Das könne zum Beispiel an der hohen Altersstruktur des Landkreises Goslar liegen, aber sichere Erkenntnisse über die Gründe gebe es nicht, sagt Sievers. Nach seiner Überzeugung hat das Vollscreening auch einen Nutzen für die ganze Region: „Durch das Verfahren können wir die Risikogruppen für den Landkreis Goslar genau analysieren. Zudem erfährt jeder Patient sofort, ob er vom MRSA-Keim betroffen ist.“

Anderswo werden nur Risikogruppen getestet

Dem niedersächsischen Gesundheitsministerium ist keine andere niedersächsische Klinik mit einem dauerhaften Vollscreening auf MRSA bekannt. Üblicherweise werden nur Risikogruppen wie chronisch Kranke und Pflegebedürftige auf den multiresistenten Erreger getestet, wie es das Robert-Koch-Institut (RKI) seit 1999 empfiehlt.

Viele Häuser hätten aber als Projekt eine Woche lang alle Patienten getestet, sagt der Infektionsschutz-Experte des Ministeriums, Fabian Feil. Die Kliniken wollten so erkennen, ob es in der eigenen Patientenschaft Risikogruppen gibt, die vom RKI nicht benannt sind.

Einige Häuser gehen aber auch dauerhaft über die RKI-Empfehlungen hinaus. So testet beispielsweise die Medizinische Hochschule Hannover (MHH) auch alle Patienten, die auf den Intensivstationen, auf den Stationen der chirurgischen Abteilungen und in der Neurologie liegen.

In der Göttinger Universitätsklinik werden zudem Patienten untersucht, die aus einem anderen Krankenhaus verlegt worden sind. Die Krankenhäuser in Bremen und Bremerhaven gehen ebenfalls weiter: Hier werden etwa Patienten aus Altenpflegeeinrichtungen, Patienten mit Wunden, Brandverletzungen oder offenen Zugängen – also Sonden, Kanülen und Kathetern – sowie Patienten, die beruflich direkten Kontakt zu Tieren in der landwirtschaftlichen Tiermast haben, auf MRSA-Keime gescreent.

Die Kosten für die zusätzliche Vorsorge werden den Krankenhäusern nicht gesondert erstattet. Dabei haben die seit einigen Jahren verstärkten Bemühungen im Kampf gegen multiresistente Erreger dem Mediziner Feil zufolge bereits Früchte getragen. So sei der Anteil der Keime, denen die meisten Antibiotika nichts anhaben können, in Deutschland von 30 auf 20 Prozent gesunken. Dennoch sterben bundesweit immer noch Tausende Patienten an den Folgen einer Krankenhausinfektion. Reimar Paul

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