piwik no script img

Kieler Polittheater

EINFLUSS-NAHME

Manchmal ist echte Politik schöner als jede TV-Serie darüber. So wie im aktuellen Stück im Kieler Landtag, das jetzt eine Fortsetzung im Innen- und Rechtsausschuss fand. In der Hauptrolle – die Kritiker streiten noch, ob Heldin oder Bösewichtin – kämpft Ministerin Anke Spoorendonk (SSW) gegen das Heer der Opposition. „Was Sie dargelegt haben“, schleuderte es Ekkehard Klug (FDP) der Ministerin entgegen, „ist auf dem Level einer Märchentante im Kinderfernsehen zu behandeln.“ Spoorendonk konterte: „Märchentante ist ja nett, aber den Schuh zieh ich mir nicht an.“ Der Generalstaatsanwalt des Landes, Wolfgang Zepter, gab einen Zwischenstand zur Alphabetisierungskampagne in seiner Behörde: „Staatsanwälte können selbst Zeitung lesen.“

Es geht vor allem um Schauwerte und kunstvoll dargebotenes Entsetzen, aber falls sich doch jemand für Inhalte interessiert: Im Juli zitierten die Kieler Nachrichten in einem Artikel über die „Friesenhof“-Jugendheime aus einem Bericht, den das Justizministerium an den Parlamentarischen Untersuchungsausschuss geschickt hatte. Dieses Papier bezog sich auf Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen ehemalige Beschäftigte der Heime und war als „vertraulich“ gekennzeichnet.

Dass Unterlagen an die Presse weitergereicht werden, gehört zum normalen Spiel, und eigentlich wird über so etwas nur hinter den Kulissen gemeckert. Diesmal aber erhielt der Generalstaatsanwalt eine Mitteilung aus dem Ministerium. Die Staatsanwaltschaft begann zu ermitteln und ließ es gleich wieder bleiben: Landtagspräsident Klaus Schlie (CDU) verweigerte die Erlaubnis, Abgeordnete oder Beschäftigte des Parlaments unter die Lupe zu nehmen.

Erteilte Spoorendonk der Staatsanwaltschaft nun eine Anweisung? Nein, sagt sie. Unglaubwürdig, findet die Opposition. Der um Knackiges nie verlegene FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki sprach schon von „einer nicht hinnehmbaren Grenzübertretung“. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen unbekannt. EST

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen