Press-Schlag: Die Freiheit des Gleichdenkenden
Daily Dope (718) Das IOC will die Welt-Anti-Doping-Agentur unabhängiger machen, wenn diese nach seiner Pfeife tanzt
Meilensteine im Antidopingkampf scheint es wie Sand am Meer zu geben. Jahr für Jahr ist von ihnen die Rede – so auch auf dem fünften Olympic Summit an diesem Wochenende in Lausanne. IOC-Chef Thomas Bach nannte die Diskussion um durchgreifende Reformen in der Schweiz „einen Meilenstein“.
Aber in der Tat scheint man sich nun etwas Besonderes ausgedacht zu haben, nachdem die Reputation des IOC im Umgang mit dem in Russland staatlich gestützten Dopingsystem arg gelitten hat. Die Vorschläge von Lausanne klingen revolutionär. Diese Idee aus dem 18. Jahrhundert, also die der Gewaltenteilung, soll nun im 21. Jahrhundert auch auf die Organisation des Sports übertragen werden. Konkret ist geplant, die Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada), die im Sommer vom IOC noch wegen ihres zu zögerlichen Umgangs in der Russlandaffäre gescholten wurde, künftig unabhängig von den Sportorganisationen zu machen. Und auf Grundlage der Arbeit der Wada soll der Internationale Sportgerichtshof (Cas) seine Urteile fällen. Man wolle nicht, dass der Ankläger zugleich auch Richter sei, erklärte der promovierte Jurist Thomas Bach.
Die Wada soll zudem noch mit Macht und Geld aufgepeppt werden. Wen wundert es also, dass auch Wada-Präsident Craig Reedie an diesem Wochenende von einem „Meilenstein“ sprach.
Jener Reedie, der nach wie vor auch Mitglied des IOC-Executive Board ist. Und die in Aussicht gestellten zusätzlichen Zuwendungen wurden in Lausanne recht diskret am Ende des veröffentlichten Dokuments an gewisse Bedingungen geknüpft. Sie seien „abhängig von der Umsetzung der Reformen“ der Wada, heißt es. Nach wie vor hängt die Organisation nämlich am Geldtropf des organisierten Sports, der zu 50 Prozent den mickrigen Wada-Etat von 24,1 Millionen Euro trägt. Die andere Hälfte wird von politischer Seite, aus Staatshaushalten, beigesteuert. Dabei nahm das IOC in den Jahren zwischen 2013 und 2016 geschätzte fünf Milliarden Euro ein.
Von der Idee der Gewaltenteilung ist der organisierte Sport nach wie vor noch Tausende Meilensteine entfernt. Vielmehr könnte die vorgesehene Stärkung der Wada gegenüber den Nationalen Anti-Doping-Agenturen allzu forsche Reformer ausbremsen. Die Nada, die deutsche Antidopingagentur, kritisierte jedenfalls bereits im Unterschied zur Wada die Ergebnisse von Lausanne. Die notwendigen Reformen seien ausgeblieben. Es sei nicht ersichtlich, dass der Sport gewillt sei, eigene Kompetenzen im Antidopingkampf abzugeben.
Ungeklärt bleibt auch die Frage, ob missliebige Wada-Empfehlungen wie die vom Sommer, Russlands Athleten von den Olympischen Spielen auszuschließen, künftig bindend für den IOC sein sollten. So konkret wollte man doch nicht werden. Es ist wohl wie mit den Finanzen. Wenn die Wada künftig die richtigen Entscheidungen trifft, wird sich auch der IOC verbindlich daran halten.
Johannes Kopp
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