piwik no script img

„Ich war erschüttert“

Friesenhof Ex-Ministerin Trauernicht-Jordan als Zeugin im Ausschuss

Dann, wenn ein Vorkommnis in einem Kinderheim „Interesse der Presse erwarten lässt“, sollte die Ministeriumsspitze informiert werden. Um diesen Aktenvermerk aus dem Jahr 2006, von dem die taz berichtete, ging es gestern, als die frühere Sozialministerin Gitta Trauernicht-Jordan im Untersuchungsausschuss um die schleswig-holsteinischen Friesenhof-Mädchenheime auf der Zeugenbank saß.

„Daran habe ich keine Erinnerung“, sagte die SPD-Politikerin, die von 2006 bis 2009 das Ministerium leitete. Es müsse sich um ein Missverständnis handeln.

Denn in anderen Fällen, wenn zum Beispiel ein Patient aus der Forensik geflohen sei, sei sie vorab informiert worden. „Damit man möglichst schnell reagieren kann“, sagte sie. Die Lage der Kinder in Jugendheimen sei als Ministerin ihr „Lebensthema“ gewesen. Sie habe daher nicht nur über Presse-Relevantes informiert werden wollen, sondern beispielsweise auch über mögliche Vorkommnisse von Gewalt oder Missbrauch.

Allerdings sagte Trauernicht-Jordan im Ausschuss, dass sie den Brief einer ehemaligen Friesenhof-Bewohnerin an ihr Ministerium nicht kannte. Das Mädchen hatte sich im April 2009 über körperliche und seelische Gewalt, Provokationen durch Betreuer und Eingesperrtsein beschwert.

„Ich war erschüttert“, sagte die Ex-Ministerin, die davon aus den Medien erfuhr. Hätte sie vom Konzept eines Heims mit konfrontativer Camp-Pädagogik gewusst, hätte sie damals versucht, die Genehmigung zu verhindern, sagte Trauernicht-Jordan. Der Piraten-Abgeordnete Wolfgang Dudda kritisierte jedoch, die Formulierung in dem Vermerk sei eindeutig gewesen. Trauernicht-Jordan habe nur eine für sie günstige Auslegung gewählt. „Dass sie nicht alles wissen musste, kam ihr gut zu Pass.“ Kaija Kutter

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen