Ceta mit Sicherheitsgurt

EU-Kanada-Abkommen Sigmar Gabriel bekommt vom Bundesverfassungsgericht grünes Licht für den Handelsvertrag. Drei Vorgaben sollen aber die Interessen von Bürgern und Parlamenten schützen

Sie haben entschieden: Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts am Donnerstag im Verhandlungssaal Foto: Uwe Anspach/dpa

Aus Karlsruhe Christian Rath

Deutschland kann nächste Woche dem EU-Handelsabkommen mit Kanada (Ceta) zustimmen. Das Bundesverfassungsgericht lehnte am Donnerstag den Erlass einer einstweiligen Anordnung ab. Karlsruhe verlangte jedoch einige Sicherungen für die Phase der vorläufigen Anwendung des Vertrags.

Ceta soll Zölle und andere Handelshemmnisse zwischen der EU und Kanada beseitigen. Aus Sicht von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) ist es ein Modellabkommen für die soziale und ökologische Gestaltung der Globalisierung. Ceta-Gegner meinen jedoch, dass hier Investoren Vorrang vor demokratischen Parlamenten erhalten.

Am kommenden Dienstag soll der Ministerrat der Europäischen Union dem Abkommen zustimmen (siehe Text unten). Zugleich soll er beschließen, dass weite Teile von Ceta schon vor Zustimmung der nationalen Parlamente vorläufig angewandt werden können. Mehrere Klägergruppen, unter anderem Linke-Abgeordnete und die Organisation Foodwatch, versuchten, dies mithilfe des Bundesverfassungsgerichts zu verhindern. Die Zustimmung soll unterbleiben, bis Karlsruhe über ihre komplexen Verfassungsklagen entschieden hat.

Dies lehnten die Richter nun ab. Zur Begründung verwies Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle auf eine „Folgenabwägung“. Ein vorläufiges Scheitern von Ceta könne weitreichende „irreversible“ Nachteile für die künftige EU-Handelspolitik haben. Wenn sich Deutschland und die EU als unverlässliche Partner erwiesen, könnte dies ihre Handlungsfähigkeit bei der weiteren Gestaltung globaler Handelspolitik „dauerhaft“ einschränken. Damit folgte das Gericht ganz den Argumenten, die Minister Gabriel am Vortag vorgebracht hatte.

Karlsruhe will aber auch verhindern, dass bis zur inhaltlichen Prüfung der Verfassungsbeschwerden irreversible Nachteile für die Kläger entstehen. Drei Vorgaben sollen deshalb sicherstellen, dass insbesondere während der vorläufigen Anwendung von Ceta die Rechte von Bürgern und Parlamenten gewahrt bleiben.

So soll – erstens – Ceta nur dort vorläufig angewandt werden, wo es „unstreitig“ um ausschließliche Kompetenzen der EU geht. Auszunehmen seien deshalb Teile des Investitionsschutzes inklusive des umstrittenen Investitionsgerichtshofs sowie Regeln zum Seeverkehr, zur Anerkennung von Berufsabschlüssen und zum Arbeitsschutz. Das entspricht im Wesentlichen der jüngsten Beschlussvorlage der EU-Kommission vom 5. Oktober.

Ein vorläufiges ­Scheitern von Ceta könne weitreichende „irreversible“ Nachteile für die künftige EU-Handelspolitik haben, so Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle

Die zweite Vorgabe betrifft den gemeinsamen Ceta-Ausschuss, dessen Arbeit die Kläger als undemokratisch kritisiert hatten. Hier muss die Bundesregierung eine „hinreichende demokratische Rückbindung“ sicherstellen. So schlagen die Richter eine EU-interne Vereinbarung vor. Diese soll gewährleisten, dass eine Änderung der Anhänge zum Ceta-Vertrag nur nach einem vorherigen einstimmigen EU-Ratsbeschluss erfolgt. „Das ist machbar“, sagte Franz Mayer, Rechtsvertreter der Bundesregierung. „Solche Regelungen gibt es bereits bei anderen Abkommen.“

Drittens soll Deutschland die Möglichkeit haben, einseitig die vorläufige Anwendung von Ceta zu beenden, wenn trotz der anderen Sicherungen doch die deutsche Verfassungsidentität gefährdet würde. Franz Mayer hatte am Vortag in der Verhandlung erklärt, dies sei laut Ceta-Vertrag möglich – was aber umstritten blieb. Nun muss die Bundesregierung ihre Rechtsauffassung in einer „völkerrechtlich erheblichen“ Erklärung den anderen Vertragspartnern mitteilen. Diese müssen jedoch nicht zustimmen.

Nach der Verkündung des Urteils waren alle Beteiligten zufrieden. „Das Urteil entspricht weitgehend der Auffassung der Bundesregierung“, sagte Wirtschaftsstaatssekretär Matthias Machnig. Von einer „Ohrfeige für die Regierung“ sprach ­dagegen Foodwatch-Chef Thilo Bode.