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Hoch gestapelt

Betrug Alexandra B. ließ sich eine gefälschte Promotionsurkunde beglaubigen und wurde Psychologin

von Uta Eisenhardt

Via Facebook erkundigte sich eine Freundin bei Alexandra B.: „Wie ist es gelaufen?“ „Es hat geklappt, magna cum laude“, bekam sie zur Antwort. „Ich bin verwirrt“, meldete sich ein Freund. „Hast du promoviert?“, während die Freundin schrieb: „Glückwunsch, Dr. Alex.“

B. hatte sich im Dezember 2012 beim Solinger Bürgerbüro eine gefälschte Promotionsurkunde beglaubigen lassen und wurde so Berufsbetreuerin. Sie, die Fremdsprachenkorrespondentin und Versicherungskauffrau, hatte bis zum Sommer 2012 sechs Semester Sozialarbeit an einer Düsseldorfer Fachhochschule studiert und war exmatrikuliert worden, weil sie sich nach einem Großbritannien-Aufenthalt zu spät rückgemeldet hatte. Daraufhin bearbeitete sie behördliche Vordrucke aus dem Internet. Nun sitzt sie wegen Missbrauchs von Berufsbezeichnungen, Urkundenfälschung, Betruges und gefährlicher Körperverletzung vor dem Berliner Landgericht.

Auch hier versucht die kleine, pummelige 36-Jährige mit dem gebleichten Haar und den akkurat getrimmten Augenbrauen, sich besser darzustellen. Sie probiert es mit Reue: „Die Anklage ist leider zum großen Teil richtig.“ Ein Jahr lang war sie in der Betreuungsstelle Wuppertal für 25 Menschen zuständig. Aufgrund einiger „Unregelmäßigkeiten in den Betreuungsverhältnissen“, so die Staatsanwältin, verurteilte sie das dortige Amtsgericht im April 2016 zu einer Geldstraße von 7.000 Euro.

Ihre nächste berufliche Station führte B. in die psychiatrische Klinik Tannenhof: Zuvor hätte sie sich dort mit einer Oberärztin unterhalten, berichtet die Angeklagte. Diese habe zu ihr gesagt: „Sie sind doch Psychologin! Die brauchen wir hier!“ B. tat wie geheißen, im Dezember 2013 erhielt sie einen Vertrag. Im Sommer 2015 zog sie nach Berlin, wo sie sich für das Krankenhaus des Maßregelvollzuges erstmals als Ärztin, sogar Fachärztin etikettierte. „Im Vorstellungsgespräch hat sich Frau B. gut verkauft – als motivierte Kollegin, die sich einbringen wird“, so ihr ehemaliger Vorgesetzter. „Sie hat über ihr Promotionsthema gesprochen – oberflächlich. Wir sind nicht davon ausgegangen, dass sich jemand bewirbt, der kein Arzt ist.“

B. war nun für die Therapie von meist schizophrenen Patienten zuständig, die im krankheitsbedingten Wahn zu Straftätern geworden waren. Sie sollte erkennen, ob einer der ihr Anvertrauten körperlich erkrankt war und ob sich sein psychischer Zustand verschlechterte. Sie sollte Blut abnehmen, um den Spiegel diverser Medikamente zu überprüfen. Sie sollte für die Staatsanwaltschaft einschätzen, wie sich Krankheit und Gefährlichkeit ihrer Patienten entwickelt hätten.

Sie war überfordert. Stattdessen liebte sie das Spritzen – eigentlich eine Aufgabe der Pfleger. Dabei gab sie einem Patienten versehentlich ein triebhemmendes, nebenwirkungsreiches Hormonpräparat. Ein Vierteljahr lang war der Geschädigte chemisch kastriert, weitere Folgen blieben aus. Einem anderen Patienten verpasste sie eine Depotspritze in den Oberarm. „Aber die ölige Substanz wird besser im Gesäßmuskel abgebaut“, so der Vorgesetzte. Tatsächlich entfaltete das falsch platzierte Medikament keine Wirkung, der Betroffene wurde psychotisch.

Ein weiterer Patient, der schleichend weniger Beruhigungsmittel erhalten sollte, wurde mit B. des Öfteren in ihrem Arbeitszimmer gesehen, bei Kerzenlicht. Heimlich soll sie ihm die fehlende Dosis gegeben haben. Als die falsche Ärztin im Januar 2016 ihrer Kündigung zuvorkam, verfiel er in Angstzustände und wurde suizidal.

Nach einem sechswöchigen Arbeitsausflug an die Nordsee bewarb sich B. bei einer Asklepios Klinik, wo man ihre Approbationsurkunde monierte. „Das ist rufschädigend“, wehrte sich die Angeschuldigte, man solle bei der Ärztekammer nachfragen. Sie reichte ihr Telefon, mit dem sie den Kontakt „Frau S. Ärztekammer“ angewählt hatte, den Misstrauischen weiter. Am anderen Ende der Leitung versicherte eine Freundin von B.: „Mit der Approbation ist alles in Ordnung.“ Kurz darauf wurde die Hochstaplerin verhaftet.

„Warum es zu den Verstrickungen gekommen ist“, erklärt die einzige Tochter ehrgeiziger Eltern mit den Erwartungen, die diese in sie gesetzt hätten. „Alle in meiner Familie waren studiert und promoviert. Keiner wusste, dass ich das Studium nicht beendet habe.“

Am heutigen Freitag fällt nun das Urteil.

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