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„Übrigens sind alle Hasen“

Theater Tom Patchett, Erfinder von „Alf“, hat ein Stück über Beuys geschrieben, Georg Nussbaumer bringt es auf die Bühne. Ein Gespräch über Kunst und Fernsehen, Wien und Los Angeles, Kunst in Pink und Rebellentum

Interview Timo Lehmann

Vor 30 Jahren wurde erstmals „Alf“ im deutschen Fernsehen ausgestrahlt, im selben Jahr starb der Künstler Joseph Beuys. Der „Alf“-Erfinder, Autor und Kunstsammler Tom Patchett aus Los Angeles arbeitet nun mit dem Wiener Gesamtkunstwerker Georg Nussbaumer in Berlin an einem Theaterstück zur deutschen Kunstikone Beuys. Wir trafen beide zu einem Gespräch über Massenkultur, Haustiere und was man in Europa von L. A. lernen kann.

taz: Herr Patchett, was tragen Sie da für einen Hut?

Tom Patchett: Das ist die Baseballcap von den Detroit Tigers. Da in der Nähe bin ich aufgewachsen und noch immer Fan.

Sie sind auf dem Land groß geworden?

Patchett: Ja, das war in der Pampa, in Zeiten ohne Internet. Ich wusste praktisch nichts. Meine Eltern waren einfache Leute. Ganz andere Verhältnisse als die von Joseph Beuys.

Woher kommt Ihr Interesse für Joseph Beuys?

Patchett: Das ging um 1991 los, da habe ich eine Ausstellung in den USA gesehen und angefangen, mich mehr mit ihm zu beschäftigen. Heute habe ich etwa 150 Werke von Beuys gesammelt. Manche wichtige Stücke, aber auch unwichtigen Kram. Ich habe viele Poster mit Unterschrift. Ich mag Beuys, weil seine Kunst mit Humor wichtige Dinge erzählt. Ich sammle nichts aus dekorativen Zwecken, sondern nur Stücke, mit denen ich kommunizieren kann. Beuys’ Kunst spricht mich fast immer an.

Herr Patchett und Herr Nussbaumer, Sie arbeiten zusammen an einem Stück über Beuys. Wer kam auf die Idee, dass alle Personen im Theaterstück Hasenkostüme tragen?

Patchett: Das war Georg. Er rief mich an, als ich ihm meinen Text geschickt habe. Er sagte nur: Übrigens, das sind alles Hasen. Ich war sofort einverstanden.

Klären Sie uns auf, Herr Nussbaumer.

Georg Nussbaumer: Beuys hat immer mit dem Hasen gearbeitet. Praktisch das wichtigste Tier in seiner Kunst. Eine Fabel ermöglicht dir viel. In einer Sekunde wird es bitter ernst, in der nächsten Sekunde darf es dämlich und lustig sein. Wären das wirklich Menschen, würde das nicht so gut funktionieren.

Patchett: Da stimme ich voll und ganz zu. Sehen Sie, Alf war nicht politisch korrekt, er war eigentlich ziemlich fies. Er hat Katzen gefressen. Trotzdem mochten ihn die Leute, weil er so knuffelig aussieht.

Glauben Sie, Donald Trump würde man lieber mögen, sähe er etwas knuffeliger aus?

Patchett: Nein. Alf war zwar fies, aber er hatte ein gutes Herz. Donald Trump ist einfach nur eine Katastrophe.

Worum geht es in Ihrem Stück?

Nussbaumer: Wir arbeiten mit dem Solistenensemble Kaleidoskop. In dem Stück geht es um die fiktive Beerdigung von Beuys. Es wird Perfomance, Musik und eben die Textstücke von Tom Patchett geboten. Mal so viel verraten: Es wird viel geflüstert.

Beuys hatte immer ein Stück Fell von einem Hasen dabei. Tragen Sie ein Stück von Alf mit sich, Herr Patchett?

Patchett: Die Puppengeschichte hing mehr an meinem Kollegen und Puppenbauer Paul Fusco, der die Optik von Alf kreiert hat. Ich habe etwas von Alf bei mir, aber ich erzähle niemanden, was genau das ist. Beuys und Alf haben aber tatsächlich etwas gemeinsam. Beide haben lange dafür gekämpft, ihre Message rüber zu bringen.

Was ist denn die Message von Alf und Beuys?

Patchett: Joseph Beuys hat unseren Planeten 1986 verlassen, im Jahr, als Alf ihn betrat. Wenn Alf nicht die Wiedergeburt von Beuys ist, dann zumindest sein Kontinuum. Beide überlebten Nahtoderfahrungen und Entfremdung, um dieselbe positive und nachhaltige Botschaft zu verbreiten: Entspannt euch, liebt euch und versucht nicht zu schlürfen, wenn ihr Suppe esst.

Herr Nussbaumer, glauben Sie an den Unterschied zwischen Hoch- und Massenkultur?

Die Beuys Fabel

Das Stück „Jeder Hase ein Künstler. Eine Beuys Fabel“ feiert am 20. Oktober im Vollgutlager – Alte Kindl Brauerei (Rollbergstraße 26) seine Premiere. Die Inszenierung beruht auf dem Text von Tom Patchett und nutzt die fiktive Beerdigung von Joseph Beuys, um dessen menschliches und künstlerisches Erbe aus verschiedenen Perspektiven betrachten zu können. Regie führt der Wiener Regisseur und Performancekünstler Georg Nussbaumer, der zusammen mit dem Solistenensemble Kaleidoskop einen Blick auf den „erweiterten Kunstbegriff“ werfen und Beuys aus dem musealen Kontext reißen will. Weitere Aufführungen gibt es am 21., 22. und 23. Ok­tober, jeweils 20 Uhr.

Nussbaumer: Ich glaube an den Unterschied zwischen Unterhaltung und Kunst. Es gibt reine Kunst, reine Unterhaltung und viele Abstufungen dazwischen. Vieles, was als reine Unterhaltung gestartet ist, könnte man heute als Kunst bezeichnen. Die Serie „Dick und Doof“ zum Beispiel würde ich heute als Kunst bezeichnen. Die sagt viel über das Leben von damals aus. Die Neunte von Beethoven hingegen hat heute eigentlich keine Aussage mehr, ist also pure Unterhaltung.

Patchett: In der Fernsehbranche gab es eine Zeit, in der man glaubte, man müsse alles etwas dümmer machen, um die Massen zu erreichen. Mit Humor kann man vieles durch die Hintertür dann doch wieder reintragen. Ich mag es nicht, wenn ein Witz keine tiefere Pointe hat.

Wie ist es, Herr Nussbaumer, als Österreicher mit einem Amerikaner an einem Stück über eine deutsche Ikone zu arbeiten?

Nussbaumer: Ich habe sehr viel Zeit in Kalifornien verbracht. In Los Angeles lernt man, dass Kunst nicht depressiv sein muss. Wenn man nach Europa schaut, und dann noch in der Hochburg der depressiven Kunst, in Wien, ist, vergisst man schnell, wie anders der Zugang zur Kunst sein kann. Ich war 14 oder 15 Jahre alt, als ich über Beuys in Zeitungen gelesen habe. Das waren Blätter, die meine Eltern nicht mochten. Rebellentum. Seine Art und Weise, wie er Kunst machte, brachte mich selbst in diese Richtung. In Los Angeles darf Kunst pink und laut sein. Da ist eine gewisse Gemeinsamkeit. Ich finde es umso spannender, mit einem Amerikaner die große deutsche Ikone Beuys zu bearbeiten.

Wieso schreiben Sie heute fürs Theater, Herr Patchett?

Patchett: Beim Fernsehen arbeitet man immer mit vielen Leuten zusammen. Schreiben fürs Fernsehen bedeutet, dass ein Haufen Leute an deinen Worten rumbastelt. Selbst bei der Regie oder der Absprache mit den Schauspielern gibt es noch Änderungen. Man kann sich selbst ganz gut hinter dem riesigen Produktionsapparat verstecken. Im Theater arbeiten auch viele mit, aber die Subjektivität, das Autorsein, zeigt sich viel stärker.

Sie haben auch an den Filmen der Muppets mitgearbeitet. Auch etwas Nichtmenschliches. Haben Sie Haustiere?

Patchett: Ja, wir haben einen Hund, mehr auf Wunsch meiner Frau. Wir hatten auch Katzen, stellen Sie sich vor. Ich bin zwar neugierig, was die so denken, aber froh, dass die nicht auch noch zu sprechen anfangen.

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