: Rückertstraße gibt auf
Entmietet Die letzte WG zieht unfreiwillig aus dem Haus in der Neustadt aus und fühlt sich von der Behörde in Stich gelassen
Den „zermürbenden Kampf um ihr Zuhause“ haben jetzt die letzten MieterInnen der Rückertstraße nach eigener Auskunft aufgegeben. Mitte August sei mit ihr und ihren beiden MitbewohnerInnen die letzte von ursprünglich vier Wohngemeinschaften ausgezogen, erzählt Ada Spreckel. Zwei Jahre hatte die 30-Jährige, die in Wirklichkeit anders heißt, in einer Vierzimmerwohnung im Altbau an der Ecke zur Osterstraße gelebt.
Zunächst zu ihrer vollsten Zufriedenheit. Doch die letzten anderthalb Jahre davon waren geprägt von zunehmendem Druck durch den neuen Vermieter. Die erste Kündigung hatten die WGs im Januar 2015 nach dem Verkauf der Immobilie erhalten, es folgten Räumungsklagen, die stets mangels Erfolgsaussichten im letzten Moment zurückgezogen wurden. Gleichzeitig wurde das fünfstöckige Haus mit Geschäft im Parterre umgebaut. Unter anderem wurde das Treppenhaus gefliest, um es leichter reinigen zu können.
Eine WG mit kleinem Kind und neugeborenen Zwillingen hielt das nicht lange aus und gab im Mai 2015 auf. Anschließend wurde ihre Wohnung so umgebaut, dass die Zimmer einzeln an Obdachlose vermietet werden konnten – so wie im Nachbarhaus. Wegen „der guten Erfahrungen“ dort habe man als Stadt zugesagt, zwei Etagen anzumieten, sagte am Donnerstag Wolf Krämer, Sprecher von Sozialsenatorin Anja Stahmann (Die Grünen).
Dass alle Wohnungen im Haus vermietet waren und die MieterInnen nicht ausziehen wollten, sei erst durch eine Anfrage der Linken in der Bürgerschaft bekannt geworden, so Krämer. Damals, im Januar 2016, hatte Sozialsenatorin Stahmann zugesagt, keine weiteren Wohnungen zu belegen, „sollten sie per Räumungsklage oder einer anderen Form von Zwang frei gemacht worden sein“.
Doch genau dies geschah nach Auffassung der MieterInnen. „Das war permanenter Druck“, sagt Spreckel, „und ein Leben auf einer Baustelle muss man auch erst mal aushalten.“ Zwei weitere WGs zogen im Mai dieses Jahres aus. Eine Etage vermietete der Besitzer anschließend selbst, eine andere mietete die Sozialbehörde für Obdachlose an. Behördensprecher Krämer rechtfertigt dies mit Auflösungsverträgen, die die BewohnerInnen unterschrieben hätten. „Damit gehen wir davon aus, dass der Auszug nicht unter Zwang geschah.“
In der Pressemitteilung der ehemaligen MieterInnen sprechen diese davon, sich von der Behörde allein gelassen gefühlt zu haben. „Freiwillig ausgezogen ist hier niemand“, sagt Ada Spreckel. Aber nachgefragt, warum sie dann Verträge unterschreiben, habe niemand. eib
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