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Appell der Heimkonferenz: Helfer brauchen dringend Hilfe

jugendhilfe Die in der Bremer Heimkonferenz zusammengeschlossenen Träger der Jugendhilfe beklagen ihre Überlastung und warnen davor, dass Kinderschutz, pädagogische Unterstützung und Beratung darunter litten: Schuld daran seien wachsender Personalmangel und hoher Krankenstand

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Vergangene Woche war es nur ein anonymes Schreiben, das an den Weser-Kurier und die taz.bremen verschickt wurde. Jetzt haben sich Bremer Jugendhilfeträger ganz offiziell mit einem Appell an die Sozialsenatorin Anja Stahmann (Grüne) gewandt. „Wir sind besorgt, dass Kinder, Jugendliche und deren Familien nicht in dem Maße die pädagogische Unterstützung finden können, die ihnen zustehen“, heißt es in einem der taz vorliegenden Schreiben der Bremer Heimkonferenz.

In dieser treffen sich BehördenvertreterInnen und Vereine und Betriebe, die in Bremen mit stationär untergebrachten Kindern und Jugendlichen arbeiten. Am Mittwoch hatte diese zuletzt getagt, dort hatten mehrere Mitglieder über die prekäre Situation in zwei Jugendämtern berichtet.

Beratung an letzter Stelle

Die Heimkonferenz verschickte am Freitag ein ebenfalls der taz vorliegendes Rundschreiben des Jugendamts Süd von Anfang August. In dem hatte dieses darüber informiert, dass es aufgrund der Personalsituation seine Aufgaben in Zukunft „priorisieren“ müsse. Zuallererst würden Fälle bearbeitet, in denen es um Krisenintervention im Kinderschutz, also um Notfälle, gehe.

Dann folgten Hilfen zu Erziehung und erst danach Umgangsberatung von Familien, in denen sich die Eltern getrennt haben. An letzter Stelle stehen Beratungsangelegenheiten in allgemeinen Erziehungsfragen. „Unsere Leistungsfähigkeit stößt an ihre Grenzen.“ Zudem könnten Vertretungsregelungen nur noch „eingeschränkt organisiert werden“. Aus dem Jugendamt Bremen Nord soll ein ­Schreiben mit ähnlichem Wortlaut verschickt worden sein.

In dem anonymen Schreiben vom vergangenen Sonntag hatte es geheißen, vor der Flüchtlingskrise, die im vergangenen Herbst ihren Höhepunkt hatte, hätten die freien Jugendhilfeträger in den Ämtern „zufriedene Kolleginnen erlebt und engagierte Teams“. Doch zuletzt hätten die Amts-MitarbeiterInnen „am Rande der Erschöpfung“ gearbeitet. „Kolleginnen aus dem Jugendamt berichten uns, dass sie mit ihrer Arbeit kaum noch hinterherkommen.“

Personallücken überall

In allen Teams gebe es massive Personallücken. Immer wieder komme es zu Kündigungen und zu hohen Krankheitsständen. „Die Verantwortung für den Kinderschutz ist kaum noch tragbar.“ Und: „Die KollegInnen berichten uns, dass es aus ihrer Sicht nur noch eine Frage der Zeit ist, bis wieder etwas passiert.“

Damit wird auf den Tod des zweijährigen Kevin angespielt, der vor fast genau zehn Jahren tot im Kühlschrank seines Vaters aufgefunden worden war. In seiner Familie waren allerdings SozialpädagogInnen ein- und ausgegangen.

Bernd Schneider, Sprecher von Sozialsenatorin Stahmann bestätigte „die hohe Arbeitsbelastung“ in den Ämtern, „die nur langsam“ sinke. „Wir haben 155 Stellen in den Jugendämtern und rund zehn Prozent davon sind nicht besetzt.“ Dies stelle eine „immense Belastung“ dar. „Wir besetzen laufend Stellen, aber es ist derzeit sehr schwer, Fachkräfte zu finden.“ Im anonymen Schreiben gab’s einen Hinweis auf eine Ursache dieses Mangels: Nur Berlin bezahle die MitarbeiterInnen im Kinderschutz noch schlechter als Bremen. Eiken Bruhn

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