piwik no script img

„straßenfeger“-Verkäufer in BerlinObdachlose erhalten eine Weste

Da auch Bettlergruppen mit der Obdachlosenzeitung „straßenfeger“ hausieren gehen, sollen offizielle Verkäufer nun besser geschützt werden.

Weste zur Sicherheit: So sehen offizielle „straßenfeger“-Verkäufer künftig aus Foto: dpa

Eine auffällige grüne Weste mit Schriftzug und Reflektorenflächen soll künftig die VerkäuferInnen der Obdachlosenzeitung straßenfeger schützen, und zwar im doppelten Sinne: Erstens soll das Kleidungsstück das Vertrauen potenzieller KundInnen wecken, indem es signalisiert, dass die TrägerInnen auch wirklich beim Herausgeber mob e. V. registriert sind. Zweitens hofft der Verein, dass die Angriffe auf die HändlerInnen aufhören.

In beiden Fällen geht es um die Konkurrenz durch EU-Migranten vor allem aus Rumänien, die unter dem Vorwand des straßenfeger-Verkaufs aggressiv betteln oder aber die VerkäuferInnen teils gewaltsam von ihren angestammten Plätzen vertreiben.

Seit Jahren ist es eingeübte Praxis: Von den 1,50 Euro Erlös aus dem Verkauf eines straßenfegers behalten die VerkäuferInnen 90 Cent, die restlichen 60 Cent fließen in das Projekt und finanzieren die Kosten für Redaktion und Druck. Insgesamt sind mehrere hundert Obdachlose als VerkäuferInnen registriert – wie viele zurzeit tatsächlich in der Stadt unterwegs sind, weiß man allerdings auch bei mob e. V. nicht. Allerdings haben alle einen Ausweis erhalten, der unter anderem belegt, dass sie sich zu bestimmten Verhaltensregeln verpflichtet haben. Dazu gehört auch der Verzicht auf aufdringliches Betteln.

Daran halten sich die oft in Gruppen auftretenden „falschen“ VerkäuferInnen nicht, wie Mara Fischer vom mob-Vorstand zu berichten weiß: „Oft verkaufen sie die Zeitung auch gar nicht, sie haben immer nur ein Exemplar dabei, das sie vorzeigen. Im schlimmsten Fall setzen sie es für Trickdiebstähle ein.“ Dabei werde die Zeitung so gehalten, dass darunter beispielsweise ein Handy verdeckt entwendet werden kann. Einzelfälle scheinen das nicht zu sein: „Wir bekommen jede Woche um die zehn Anrufe und ebenso viele Mails von Leuten, die sich bei uns darüber beschweren“, sagt Fischer.

Das Projekt, bei dem Obdachlose auch selbst Texte veröffentlichen, die sie unter Anleitung in einer Schreibwerkstatt verfassen, kann dafür nichts, aber sein Image leidet: Wie Mara Fischer bestätigt, ist die verkaufte Auflage in den letzten drei Jahren von rund 20.000 Exemplaren auf die Hälfte geschrumpft. Das gefährdet das gesamte Projekt, bedeutet aber auch für die VerkäuferInnen empfindliche Umsatzeinbußen. Ganz zu schweigen von den Bedrohungen, mit denen einige von ihren zum Teil seit Jahren angestammten Standplätzen verdrängt werden.

In solchen Fällen kommt es nur ganz selten zu einer Anzeige, sagt Mara Fischer: „Das trauen sich die Verkäufer oft nicht, weshalb die Polizei dann auch nicht tätig wird.“ Allerdings ist in Gesprächen mit der Polizei die Idee eines einheitlichen Brandings durch die grünen Westen entstanden. Rund 80 Stück wurden bereits hergestellt. Sie haben eine transparente Brusttasche, in der der mob-Ausweis getragen werden kann, dessen Nummer auch auf der Weste selbst aufgedruckt ist. Eine Pflicht, die Westen zu tragen, besteht allerdings nicht.

Dass die in Gruppen agierenden MigrantInnen selbst diskriminiert werden, ist dem Verein natürlich klar. „Viele wissen auch gar nicht, dass sie mit ihrem Verhalten ein gewachsenes Projekt zerstören“, glaubt Fischer, die es darum sinnvoll fände, wenn sich mob e. V. auch um diese Menschen kümmern könnte. Dafür aber fehlt es dem Verein, der ohne Hauptamtliche arbeitet, schlichtweg an Ressourcen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

8 Kommentare

 / 
  • 8G
    87546 (Profil gelöscht)

    Man(n), man(n), man(n), warum schmeißen hier die meisten Leute die Obdachlosen der deutschen Gesellschaft mit international agierenden kriminellen Banden in einen Topf?

  • Ich kann nicht beurteilen wie die Situation in Berlin ist. Ich vermute es ist nicht viel anders wie hier in Köln. Vor längerer Zeit war im Kölner Stadt-Anzeiger ein Beitrag veröffentlicht, der eine (meiner Meinung nach) ähnliche Problematik darstellte, die ein hiesiges Obdachlosenmagazin hat. Dabei wurde auch der Name eines anderen Obdachlosenmagazin, dass hier ebenfalls verkauft wird, erwähnt.

     

    Ich mache bei meinen Fahrten mit der Stadtbahn und wenn ich durch die Straßen gehe regelmäßig die Erfahrung dass die "Konkurrenz" auch von einheimischen Menschen die auf Platte machen oder bedürftig sind stammt. Also nicht nur von Migrant*innen.

     

    Ich mache auch die Erfahrung dass beide Seiten "aggressiv" betteln.

     

    Die wenigsten, offenbar auch die Kioske wo die Verkäufer ihre Obdachlosenzeitungen bekommen, halten sich an die selbstgesteckten Regeln.

  • Da werden rassistische Formeln benutzt, um Arme gegen Arme auszuspielen. Ein "gewachsenes Projekt", das von "Rumänen", die "aggressiv betteln", zerstört wird. Was genau ist mit dem "gewachsen" gemeint? Wie und warum konnte dieses Projekt in diese Richtung wachsen, dass es jetzt offenbar unter den Armen eine deutsche Oberschicht konstruieren will?

    Es ist an der Zeit, dass sich Arme und Ausgegrenzte nicht mehr gegeneinander ausspielen lassen, in keine Uniform stecken lassen, keiner Obrigkeit auf den Leim gehen, sondern für Gerechtigkeit kämpfen und sich nehmen, was ihnen sowieso gehört.

    • @Margit Englert:

      "Gewachsenes" Projekt heißt da zieht jemand aus Mitgefühl für Mittellose einen Laden hoch, der sich mehr schlecht als recht über Wasser halten kann. Einen Laden in dem auch Ausländer arbeiten.

      Natürlich will man sein Erschaffenes beschützen.

    • @Margit Englert:

      der letzte Absatz:

       

      Dass die in Gruppen agierenden MigrantInnen selbst diskriminiert werden, ist dem Verein natürlich klar. „Viele wissen auch gar nicht, dass sie mit ihrem Verhalten ein gewachsenes Projekt zerstören“, glaubt Fischer, die es darum sinnvoll fände, wenn sich mob e. V. auch um diese Menschen kümmern könnte. Dafür aber fehlt es dem Verein, der ohne Hauptamtliche arbeitet, schlichtweg an Ressourcen.

      • @pippilotta_viktualia:

        was ja nichts anderes heißt als: Deutsche zuerst!

        Sonst würde man keine "Konkurrenz durch EU-Migranten, vor allem aus Rumänien" konstatieren, sondern einfach feststellen, dass zu wenige Ressourcen für alle da sind. Das wiederum könnte dazu führen zu fragen warum das so ist. Also wer die gesellschaftlich erarbeiteten Ressourcen eigentlich verbraucht.

        • @Margit Englert:

          Jetzt hören Sie mal bitte zu: Auch diese MigrantInnen können sich jederzeit beim Straßenfeger als VerkäuferInnen registrieren lassen.

        • @Margit Englert:

          Aus der Luft gegriffene Scheibe!

          Du setzt vorraus, dass für den Laden nur deutsche arbeiten. Wie rassistisch bist du denn?!

           

          Ihr macht den Straßenfeger dafür verantwortlich Politik nicht beeinflüssen zu können. Lächerlich